SWR2 Wort zum Tag

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16JAN2021
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Haben Sie Pläne gemacht für das beginnende Jahr? Sich etwas Besonderes vorgenommen? Ich beobachte: Nach den Erfahrungen von 2020 sind viele erst einmal zurückhaltend mit dem Planen. Wer weiß schon genau, was wann wieder möglich sein wird... Diese Unsicherheit kann auf Dauer echt frustrierend sein, vor allem, wenn um große Pläne geht: Kann man jetzt Einladungen für eine Hochzeit im Mai rauszuschicken? Und wenn ja, an wie viele Gäste? Solche Fragen möchte sich niemand stellen müssen, der ein wichtiges Fest plant.

Was ich allerdings in den letzten Monaten auch gemerkt habe: Die erzwungene Flexibilität, das Kurzfristige und Spontane hatte für mich auch eine gute Seite. Ich habe meine Fähigkeit schätzen gelernt, im Moment zu leben. Immer wieder ist es mir gelungen, einfach das wahrzunehmen, was gerade ist – ohne darüber nachzudenken, wie es eigentlich hätte sein sollen oder was noch daraus werden könnte. Und ich hatte das Gefühl: Das ist jetzt richtig so.

Jesus, glaube ich, hat Menschen auch dazu gebracht, den Moment wahrzunehmen. In seiner Gegenwart haben viele offenbar gespürt, was genau jetzt für sie richtig und wichtig ist: Als er bei den Schwestern Martha und Maria zu Gast war, hat Maria sich einfach hingesetzt und Jesus zugehört – ohne sich um sein leibliches Wohl zu kümmern. Für sie war genau das wichtig – und Jesus hat es gutgeheißen, obwohl ihre pflichtbewusste Schwester sich darüber bei ihm beklagt hat. Sie hätte gern Hilfe gehabt, wie sonst auch immer. Und der Zöllner Levi hat, als Jesus vorbeikam, seine gewinnbringenden Geschäfte mit Ein- und Ausfuhren eingestellt – und stattdessen Jesus und seinen ganzen Freundeskreis in seinem Haus bewirtet. Das war sein Augenblick. Den hat er ergriffen und getan, was nur jetzt möglich war.

Mich ganz auf das einlassen, was im Moment geschieht und von mir gefragt ist – das möchte ich auch in diesem Jahr versuchen. So wie der christliche Mystiker Meister Eckhardt es zusammengefasst hat:

Die wichtigste Stunde ist immer die Gegenwart,
der bedeutendste Mensch ist immer der,
der Dir gerade gegenüber steht,
und das notwendigste Werk ist immer die Liebe.

So zu leben: Ich fürchte – es wird nicht immer gelingen. Aber ich finde, es ist den Versuch wert.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=32408
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