SWR1 Begegnungen

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03JAN2021
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Gregor Podschun Foto: BDKJ-Bundesstelle / Christian Schnaubelt.

Begegnungen mit Christopher Hoffmann...

...und mit Gregor Podschun, Vorsitzender des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend, kurz BDKJ. Das ist der Zusammenschluss aller katholischen Jugendverbände, zu denen zum Beispiel die Pfadfinder gehören. Insgesamt vertritt er 660.000 junge Menschen in 17 Verbänden bundesweit. Als Gregor Podschun als Kind im brandenburgischen Königs Wusterhausen nahe Berlin aufwächst, kann er sich eine solche Zahl katholischer Menschen gar nicht vorstellen. Kirche war für ihn geprägt von Diaspora, die Katholiken in der absoluten Minderheit:

Was bedeutet, dass ich mit meinem Zwillingsbruder der einzige in der Klasse war, der katholisch war. Was ich wahrgenommen hab in dem Umfeld ist, dass Christ*innen, um sich für christliche Ideale einzusetzen, halt nicht unter sich bleiben dürfen.

Gregor Podschun erlebt eine Kirche, die sich zu den Menschen hin aufmacht, um Gesellschaft zu gestalten. Als er elf Jahre alt ist, starten die Pfadfinder in seiner Gemeinde mit Jugendverbandsarbeit – für sein Leben eine prägende Erfahrung. Denn er merkt:

Es gibt auch mal andere Formen, wie ich auch meinen Glauben leben kann. Das ist sogar eine demokratische Form. Auch wir haben damals unsere Leiter*innen gewählt. Schon als kleines Kind. Und das war natürlich spannend das in der Kirche zu erleben.

Eine starke Gemeinschaft, sich ehrenamtlich engagieren– das lernt Gregor Podschun in der katholischen Jugendverbandsarbeit. Das ändert sogar seinen Berufswunsch. Eigentlich will er in die Luft- und Raumfahrttechnik, ist begeistert von Physik. Aber noch mehr begeistert ihn der Mensch und er wechselt zum Fach „Soziale Arbeit“. Als BDKJ-Vorsitzender unterstreicht er, wie wichtig in dieser Zeit soziales Lernen ist:

Ich finde das für eine Gesellschaft, die zusammenhalten will, extrem wichtig. Wie funktioniert soziales Miteinander? Auch in Gruppen. Unsere Gesellschaft lebt ja letztendlich von ehrenamtlichem Engagement. Ohne das geht es nicht. Die Jugendverbände sind Werkstätten der Demokratie, hier können Kinder und Jugendliche einüben wie es ist ihre Meinung zu sagen und sich zu beteiligen.

Ganz konkret wird das zum Beispiel in der 72-Stunden-Aktion, die unter dem Motto „Uns schickt der Himmel“ vom BDKJ organisiert wird.  Beim letzten Mal waren 3.400 Jugendgruppen mit dabei. Sie organisierten zum Beispiel gemeinsame Feste mit Menschen mit Behinderung oder Aktionen mit geflüchteten Menschen...

...bis hin zu Straßenmusik, wo sie sowohl die Menschen erfreut haben als auch dann Geld für ein Kinderhospiz gesammelt haben . Und was auch ein sehr erfolgreiches und sehr schönes Projekt war, dass die Katholische Studierende Jugend in Berlin eine Obdachlosenunterkunft eröffnet hat. Und das aus eigener Kraft heraus.

Für Gregor Podschun bekommt der Glaube hier „Hand und Fuß“. Der 30-Jährige findet: Der Einsatz für Mitmenschen ist gelebter Gottesdienst. Und auch in der Pandemie sind die Jugendverbände aktiv:

Ein sehr schönes Beispiel ist der BDKJ Limburg, der sehr spontan einen Dienst eingerichtet hat, um halt Menschen zu unterstützen in der Corona-Pandemie. Zum Beispiel beim Einkaufen aber auch bei der Mobilität, wenn sie irgendwohin müssen und nicht mit den Öffentlichen fahren können. Die aber auch zum Beispiel gemeinsam mit ihnen beten, um sie nicht vereinsamen zu lassen.

Ich spreche mit Gregor Podschun, der als Vorsitzender des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend  die Interessen aller 660.000 Kinder und Jugendlichen vertritt, die sich in katholischen Verbänden engagieren. Auch Gregor Podschun weiß: Kirche ist für viele junge Menschen oft kein attraktiver Ort mehr. Und er findet: Das muss die Kirche ändern!

Also zum einen muss man immer gucken: Wer rennt wem weg? Ich glaube kaum, dass die Jugendlichen der Kirche wegrennen, sondern die Kirche rennt vor den Jugendlichen weg. Das ist ja eher so rum. Ich glaub schon , dass Kinder und Jugendliche eine sehr spannende Perspektive für die Kirche haben.

Und deshalb hofft er als Mitglied im so genannten „Synodalen Weg“ auf ganz konkrete Reformen in der katholischen Kirche. Vor allem um Kinder und Jugendliche in Zukunft vor sexualisierter Gewalt zu schützen. Gregor Podschun wird deutlich:

Weil aus ethischen Gründen wir es den Betroffenen von sexualisierter Gewalt schuldig sind. Der Grund ist, dass die Kirche so wie sie gerade verfasst ist und wie sie systemisch strukturiert ist, Menschen Leid angetan hat und wir das unbedingt ändern müssen.

Dabei beruft sich Podschun auf die Ergebnisse der so genannten MHG-Studie, die 2018 die erschütternde Dimension des sexuellen Missbrauchs in der katholischen Kirche aufgedeckt und die Ursachen für sexualisierte Gewalt benannt hat:

Konkret sind das, dass wir Verantwortung, Macht und Gewalt teilen müssen in der katholischen Kirche. Die grundsätzliche Ursache ist, dass Missbrauch immer Machtmissbrauch ist. Das heißt wir müssen diese Machtstrukturen aufbrechen und diesen Klerikalismus aufbrechen, um das zu verhindern. Und wir üben ja Kritik, weil uns die Kirche am Herzen liegt.

Außerdem setzt sich der BDKJ für weitere Reformthemen ein: dass Menschen unabhängig von ihrem Geschlecht und unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung in der Kirche nicht diskriminiert werden. Weil auch Jesus Christus keinen Menschen diskriminiert hat. Neben diesen kirchenpolitischen Themen engagiert sich der BDKJ auch gesellschaftspolitisch, aktuell besonders für mehr Klimaschutz:

Es ist eine urchristliche Aufgabe sich für die Bewahrung der Schöpfung einzusetzen, das ist der eine Punkt. Der andere Punkt ist, dass viele Menschen jetzt schon von der Klimakrise betroffen sind und zwar die Menschen, die am wenigsten dafür können und die in den ärmsten Regionen der Welt leben, insbesondere im globalen Süden.

Für die Kinder in den ärmsten Regionen der Welt sammelt der BDKJ gemeinsam mit dem Kindermissionswerk DIE STERNSINGER in den kommenden Tagen Spenden. Wegen Corona ist das in diesem Jahr sehr kompliziert. Aber Gregor Podschun hält die größte Hilfsaktion von Kindern für Kinder nun für umso wichtiger: Denn  in Folge der Pandemie haben Armut und Hunger in den Projektländern stark zugenommen. Und auch hierzulande wollen die Sternsinger  den Menschen mit ihrem Segen Hoffnung bringen:

Es gibt viele Menschen, die ja doch unter Einsamkeit leiden, insbesondere in der Corona-Pandemie. Da braucht es Menschen, die zeigen: Wir sind für euch da.

Auch wenn das in diesem Jahr kontaktlos und deshalb anders geschehen muss als sonst. Draußen oder digital oder wie auch immer. Wie Gregor Podschun glaube ich: Die Sternsinger und Gottes Segen sind da ganz erfinderisch.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=32369
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