SWR4 Abendgedanken

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06JAN2021
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Es musste ziemlich schnell gehen. Als ich vor gut vier Wochen erfahren habe, dass die Schulen schließen müssen, mussten wir an unserer Schule von einem Tag auf den anderen eine Notbetreuung organisieren. Für Kinder, die sonst allein zu Hause wären, weil ihre Eltern unbedingt arbeiten müssen. Kollegen sollten sich freiwillig dafür melden. Schnell war klar: Jeder, der sich dafür meldet, kann sich nicht ausreichend vor Weihnachten isolieren. Das wurde aber empfohlen, um seine Familienangehörigen vor einer Corona-Ansteckung zu schützen. Lehrer haben einfach sehr viele Kontakte und viele wollten diese Chance nutzen, sich zu schützen.

An meiner Schule haben sich dennoch sofort sehr viele Kolleginnen und Kollegen gemeldet. Wir halten gut zusammen. Mir ist aber aufgefallen, dass meine muslimischen Kolleginnen unter den ersten waren, die sich gemeldet haben. Das hat mich sehr berührt: dass gerade sie sich so konkret dafür eingesetzt haben, dass die Christen unter uns Weihnachten möglichst sicher feiern können. Es berührt mich, weil sie damit einen Beitrag aus ihrer anderen Kultur leisten, die meinen Glauben besser möglich macht.

So wünsche ich mir das Zusammenleben unserer verschiedenen Kulturen und Religionen. Keiner soll seine Überzeugungen aufgeben, aber jeder kann dazu beitragen, dass der andere auch seiner Überzeugung treu bleiben und sie ausleben kann.

Das passt sehr gut zur Geschichte von den heiligen drei Königen. Sie kommen nach Bethlehem und verehren Jesus als neugeborenen König in Israel. Sie werden in der Bibel als Sterndeuter aus dem Osten dargestellt. Vermutlich waren sie Priester einer vorderindischen Religion. Also Menschen aus einer anderen Kultur. Eben genau so wie ursprünglich meine muslimischen Kolleginnen. Wenn die Sterndeuter zu Jesus kommen, kommen beide Kulturen miteinander in Kontakt. Damals der vorderindische Sternenkult und die jüdische Religion. Im Neuen Testament gibt es immer wieder solche Stellen, in denen Menschen mit einer anderen Religion Jesus begegnen, zum Beispiel ein römischer Hauptmann und eine Frau aus Syrien. Und bei keiner dieser Begegnungen missioniert Jesus diese Personen für eine Religion, er will sie für seine Idee begeistern, dass Menschen sich mit Respekt begegnen können. 

Wo immer möglich versuche ich auch meinen Teil zu so einer Begegnung der Kulturen beizutragen. Ich will Menschen mit Respekt begegnen. Mit dem Respekt davor, dass sie anders sind, und mit dem Interesse daran, wie sie ihre Überzeugungen und Hoffnungen für eine bessere Welt leben. Für mich ist das ein guter Weg, wie ich heute Jesus verehren kann. Denn er wollte ja auch, dass jeder Mensch sich frei entfalten kann mit dem, was er glaubt und hofft.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=32357
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