SWR3 Gedanken

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09JAN2021
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Was für ein Bild: Im Vordergrund meine Familie beim Picknick – im Hintergrund ein Schloss neben einem See. Ich schaue mir das Foto vom letzten Urlaub an: es ist perfekt – die perfekte Familie vor einer kinoreifen Kulisse…

Was man auf dem Bild aber nicht sieht: wie mein kleiner Sohn ununterbrochen versucht in die teuren Leckereien zu hüpfen, die auf der Decke ausgebreitet sind. Mehrere Wespen, die sich auf die Salami stürzen. Und dass meine Frau und ich einfach fix und alle waren. Ehrlich, für mich hat sich der Moment nicht so perfekt angefühlt. Es war ein wirklich stressiges Picknick!

Mache ich also was falsch, wenn ich mich ganz anders fühle, als das Foto wirkt? Vielleicht mal mehr genießen, was die Kamera zeigt und das Nervige ignorieren… Aber ich bin nun mal keine Kamera: Ich sehe mehr als eine Linse und fühle den Moment.

Wie bei unserem Picknick ist es oft im Leben – Schönes passiert zeitgleich mit Stressigem, perfekt steht neben unperfekt, Romantik geschieht neben vollen Windeleimern… Das „Unperfekte“ ist einfach immer dabei.

Immer wenn meine Frau das Foto sieht, muss sie loslachen: wie ein Familien-Picknick so schief gehen kann und ein Foto davon trotzdem so aussieht, als hätten wir es aus einem Reisemagazin geklaut.

Mir ist jetzt klar: Auch wenn sich nicht alles super anfühlt, kann ein Moment trotzdem irgendwie „perfekt“ sein. Perfekt war die freie Zeit, die wir als Familie zusammen hatten ... Und was uns damals tierisch genervt hat, gehört eben einfach mit dazu. Genau dadurch wird dieser Moment, der von außen so lupenrein aussieht, für uns besonders wertvoll – allein schon deshalb, weil wir bestimmt noch oft über dieses Foto lachen werden. Wir sind echte Leute im echten Leben und perfekt gibt’s nur mit unperfekt.

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