SWR3 Gedanken

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07JAN2021
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Grinsend wie ein Honigkuchenpferd verlasse ich die Wohnung. Ich stolziere zum Auto und denke an das, was mir meine Frau gerade zum Abschied gesagt hat: „Du bist mein Held!“

Und dann passiert‘s: Im Auto will ich mir für die Fahrt eine Cola-Flasche aufmachen. Der Öffner ist mal wieder weg, also zücke ich mein Taschenmesser, setze an und… ratsch – da hab ich mir ordentlich in die Hand gesäbelt: Blut und Gejammer – hilft alles nichts: die Hand muss genäht werden.

Toll, und wie soll ich jetzt bitte ihr Held sein, mit einer lädierten Hand?

Und tatsächlich: es kommt in den nächsten Wochen so, wie ich befürchte.

„Nee Schatz, sorry Abwasch geht heut Abend leider noch nicht… Gurkenglas öffnen ist auch nicht… abgekrachte Garderobe reparieren – leider erst nächste Woche…“

Und bevor das alles passiert ist, habe ich mal wieder gedacht: Ich hab’s im Griff – mein Leben, meinen Job, meinen Körper. Wie naiv von mir zu glauben, dass ich alles kontrollieren kann… das geht gar nicht! Keiner kann sich vor allem schützen, ich auch nicht.

Aber ich kann mich doch deswegen jetzt nicht für immer daheim einschließen und nur noch aus dem Fenster schauen. Nein, ich werde da morgen trotzdem wieder rausgehen und ich werde auch nicht aufhören mich hin und wieder als Held zu fühlen.

Aber wenn ich denke, dass ich alles immer im Griff habe, sind meine Hände nie frei. Keine Hand mehr frei für die Leute um mich herum; und kein Platz mehr für Gott, ohne den es für mich sowieso nicht geht.

Dabei kann und will ich nicht alles alleine schaffen. Ohne Gott kann ich nicht. Und auch wenn ich manchmal ein Held für andere sein kann, dürfen es andere für mich genauso sein.

Also, bald gehe ich mutig und offen wieder da raus, der Flaschen-Öffner kommt zurück ins Auto und wenn es geht, bleibt eine Hand immer frei!

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