SWR4 Feiertagsgedanken

SWR4 Feiertagsgedanken

01JAN2021
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Panzer:
Wie steht es mit Ihren Vorsätzen fürs neue Jahr? Haben Sie welche? Ich ja. Ich möchte gern ein guter Mensch sein. Eine Frau, die verzeihen kann und anderen Gutes tun, auch wenn ich es schon ganz anders erlebt habe. Eine Frau, die hilft und gibt, damit andere leben können. So ein guter Mensch wäre ich gern.

Steiger:
Richtig konkrete Vorsätze fürs neue Jahr nehme ich mir keine. Aus denen wird sowieso meistens nichts. Aber, dass ich gut mit anderen umgehe, am besten noch mehr als bisher Gutes tue, das ist mir wichtig. Manche sagen „Gutmensch dazu“ und verdrehen die Augen. Das macht mir nichts. Ich möchte gern ein Gutmensch sein. Nur wenn es allen einigermaßen gut geht, können wir in Frieden miteinander leben.

Panzer:
Gutmensch ist für viele inzwischen aber ein Schimpfwort geworden. Als Gutmenschen werden die beschimpft, die sich in ihrer Freizeit bei der Bahnhofsmission für hilflose Menschen einsetzen, wer als Krankenschwester in ein Krisengebiet geht oder am Samstag Flüchtlingskindern bei den Hausaufgaben hilft.

Steiger:
Als Gutmensch glaube ich daran, dass die Welt sich ändern kann. Dass mehr Gerechtigkeit möglich ist. Dass Gott die Welt insgesamt gut geschaffen hat und so, dass ihre Güter für alle reichen. Dass die Starken für die Schwachen Verantwortung übernehmen gerade jetzt in der Pandemie. Dass es möglich ist, die Geflüchteten in unserem reichen Land zu integrieren, wenn man nur will. Aber wenn man das sagt, dann heißt es schnell: „Ihr Gutmenschen habt doch keine Ahnung. Ihr seht einfach nicht, wie es zugeht in der Welt.“

Panzer:
Jesus, nach dem wir uns Christen nennen, hat das anders gesehen. Er hat gesagt: „Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist.“ Die Kirchen haben diesen Satz zum Motto, zur Jahreslosung für 2021 ausgerufen.

Steiger:
Seid barmherzig! Barmherzig wie Gott! Vielleicht kommt Ihnen das übertrieben und unrealistisch vor. Kann das sein? Dass Jesus Sie und mich mit Gott vergleicht? Da erwartet er ganz schön viel von uns. Aber offenbar traut er uns das zu!

Panzer:
Aber eigentlich ist ja nicht die verwegene Aufforderung das erste. Das erste ist Gott. Gott und seine Barmherzigkeit. Gott ist barmherzig. Das ist der Anfang. Gott kann gut machen, was Menschen verdorben haben. Er kann auch aus Bösem Gutes machen. Er kann es auch für mich gut machen, selbst wenn ich alles verdorben habe in dem Jahr, das hinter mir liegt. Auch dann hält Gott an mir fest. Auch dann gilt: Kommt her, die ihr mühselig und beladen sein. Es ist nicht endgültig aus und vorbei. Ihr könnt neu anfangen. Aufrecht und selbstbewusst. Ihr könnt es besser machen.

Steiger:
Jesus hat gesagt und gezeigt: So ist Gott. Aber Hand aufs Herz: Können wir auch so sein, so barmherzig, Sie und ich? 

Steiger:
Barmherzig sollen Christen sein – das haben die Kirchen als Motto für das neue Jahr ausgegeben. Daran haben wir gerade schon hierin den SWR4 Feiertagsgedanken erinnert. Und vielleicht denken Sie jetzt: Ja, das sollte eigentlich nicht nur für die Christen gelten. Das wäre ein guter Vorsatz für alle Menschen im Neuen Jahr.

Panzer:
Barmherzig wie Gott. Also nicht fragen: und was kriege ich dafür? Auch nicht: lohnt sich das überhaupt? Und jetzt sagen Sie nicht: Ja, so ist Gott. Gott im Himmel. Im Himmel, da geht es vielleicht so zu. Hoffentlich. Aber das ist doch kein Maßstab für uns hier in Deutschland.

Steiger:
Für Jesus waren der Himmel und die Erde nicht strikt getrennt. Immer wieder und soll es schon auf der Erde zugehen, wie wir es im Himmel erwarten. So jedenfalls verstehe ich seine Bitte im Vaterunser: Dein Wille geschehe wie im Himmel, so auf Erden.Barmherzig – wie im Himmel, so auf Erden! Wie im Himmel, so bei uns im Land! Für Jesus war das ganz selbstverständlich.

Panzer:
Viele sagen bis heute, es sei unrealistisch, so zu denken. Wo kämen wir hin, wenn wir mit Barmherzigkeit unsere Welt gestalten würden? Würden uns dann die anderen nicht auf der Nase herumtanzen?

Steiger:
Ich glaube, so denken die Krämer. Das ist Krämermoral. Ich gebe nur, wenn ich etwas zurückkriege, Wenn alle so denken, dann kann das Gute unter uns nicht wachsen. Dann denkt jeder nur an sich und was er rausschlagen kann. So müssen die Schwachen sehen, wo sie bleiben.

Panzer:
Es gibt viele, die sagen: In unserer Welt, da muss man vernünftig handeln. Und vernünftig ist anders als barmherzig.

Steiger:
Das stimmt: Unsere Welt ist nicht das Paradies. Vom Reich Gottes sieht man wenig. Deshalb gibt es keine einfachen Lösungen. Wir können die Probleme der Welt nicht alle hier in unserem Land lösen. Aber abgeben und teilen, damit man auch anderswo gut leben kann – das könnten wir schon. Verzichten und anders leben – damit die Welt bewohnbar bleiben kann – das könnten wir schon. Uns ein bisschen einschränken, damit wir alle gut durch die Pandemie kommen – das ist barmherzig und vernünftig.

Panzer:
Ich bin deshalb froh, dass es Gutmenschen gibt: Die rechnen damit, dass mehr möglich ist, als die Pessimisten meinen. Ich würde sagen: Sie vertrauen darauf, dass für Gott nichts unmöglich ist. Sie vertrauen auf Gott. Gottvertrauen – das ist ein anderes Wort für Glauben. Deshalb teilen die Gutmenschen, was sie haben. Retten Schiffbrüchige. Geben Geflüchteten Wohnung und Arbeit. Halten mit den Kranken aus. Helfen den Schwachen auf die Beine. Nehmen Rücksicht auf die Gefährdeten, jetzt in der Pandemie.

Steiger:
Und wenn man es erst mal probiert – dann geht mehr, als man denkt. Das hab ich selber nicht bloß einmal erlebt. Wir wünschen Ihnen und uns fürs Neue Jahr Gottes Segen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=32325
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