Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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30DEZ2020
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Die Zeit, die Zeit, die Zeit…! Schon wieder ein Jahr vorbei, könnte man sagen, aber stimmt das denn? Ist die Zeit wieder einmal durchs Land gerast bis man erstaunt feststellt, dass auch dieses Jahr schon wieder vorbei ist? Dieses Jahr mit all seinen Ausbremsungen und Auszeiten? Ja und Nein. Ich denke auch dieses Jahr war es wie immer. Für die Einen ist  dieses Jahr durch ihr Leben gerauscht wie ein Fluss mit Hochwasser. Und für die Anderen schien der Fluss still zu stehen. Bei den ersteren denke ich zum Beispiel an junge Familien mit kleinen Kindern und am Anfang ihres Berufslebens. Oder an Menschen in den sogenannten systemrelevanten Berufen. Sie hatten und haben dieses Jahr noch viel mehr zu tun als sonst schon, oft bis zur körperlichen oder seelischen Erschöpfung. Und da scheint die Zeit dann zu rasen. Bei den Anderen denke ich an all die Menschen, die durch die Pandemie ausgebremst wurden. Beruflich oder durch den Virus selbst. Mit ihnen denke ich an all die einsamen und kranken Menschen. Oder an die Menschen, die dieses Jahr von einem Schicksalsschlag getroffen wurden. Für sie mag sich die Zeit gnadenlos gleichgültig anfühlen. Weil sie vielleicht das Gefühl haben, die Zeit müsste doch stillstehen. Aber sie schreitet voran, egal wie gut oder schlecht es einem geht. Für diese Menschen hoffe ich, dass sich ihnen irgendwann die tröstliche Gleichgültigkeit der Zeit eröffnet. Dass mit der Zeit die Schmerzen weniger werden. Und wenn sie das nicht tun, dass sie mit den richtigen Medikamenten wenigstens zeitweise gelindert werden. Oder wenn die die Dunkelheit oder der seelische Schmerz nicht weichen wollen, dass es Menschen gibt, die ihnen Licht in ihre Dunkelheit bringen. Oder wenn die Einsamkeit zu groß ist, dass es in ihnen eine seelische Schatzkammer mit Erinnerungen gibt, die sie immer wieder öffnen können. Und wenn nicht, dass es einen Menschen gibt, der die Einsamkeit auflöst wie die Sonne den Nebel. Und die Zeit zeitlos wird, wie in all den schönen, kostbaren Momenten des Lebens. Wenn wir ganz bei einem Menschen sind, ganz in einer Arbeit versinken oder in einem Werk. Oder uns in der Liebe so verlieren, dass wir uns ganz finden. Dann verwandelt sich die Gleichgültigkeit der Zeit. Von gleichgültig zu gleich gültig. Von egal zu gleich wertvoll. Zeitlos, mit einer Ahnung von Ewigkeit…

https://www.kirche-im-swr.de/?m=32313
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