SWR3 Gedanken

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22DEZ2020
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Unsichtbar sein. Im Märchen geht das manchmal ganz einfach. Da gibt es dann zum Beispiel einen Mantel, der jeden, der ihn anzieht, unsichtbar macht.

Manchmal wünschte ich mir das auch. Wenn ich genervt bin, meine Ruhe haben möchte, einfach nicht gestört werden will. Da wär so ein Zaubermantel, der mich mal kurz verschwinden lässt, schon ganz praktisch. Aber nur, solange ich ihn auch wieder ausziehen kann. Leider gibt es aber Menschen, die unsichtbar sind ohne es zu wollen. Und das ist dann gar nicht märchenhaft. Es trifft ja längst nicht mehr nur Alte und Einsame in ihren Wohnungen. Auch Musiker etwa, die ich kenne und die sich gerade mehr schlecht als recht über Wasser halten. Unsichtbar geworden und fast schlimmer noch, unhörbar. Viele sind verzweifelt und deprimiert.

Ich glaube, als Theologen haben wir manchmal schnell den Satz zur Hand, dass Gott doch jeden im Blick behält. Dass er niemanden übersieht. Daran glaube ich zwar auch, aber alleine reicht das eben nicht. Der Satz muss eingelöst werden. Durch uns, die anderen, die noch sichtbar sind und hörbar. Bei aller Beschäftigung mit eigenen Problemen möchte ich die unsichtbar Gewordenen nicht vergessen. Gerade jetzt. Die Alten und Einsamen, die Musiker und die Vielen, die sich jetzt irgendwie über Wasser halten müssen.

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