Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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28DEZ2020
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Mein Opa war Filmvorführer. Er hatte ein eigenes Kino. Ein richtig schönes, mit nur einem großen Saal, Logenplätzen und vorne im Eingang verkaufte meine Oma die Eintrittskarten und Süßigkeiten. Als ich noch ganz klein war stand ich staunend vor der riesigen Leinwand mit den dunkelblauen Vorhängen.

Mein Opa und ich schauten uns die Filme vom Vorführraum aus an. Von dort konnten wir das Publikum beobachten und erahnen, wie ihm der Film gefällt. Lachen die Menschen miteinander oder weinen sie, ist es ganz still im Saal oder unterhalten sie sich? Man merkte, wenn sie ganz und gar in eine andere Welt ein- und abgetaucht waren.

Ich empfinde es an manchen Tagen als Segen, wenn ich mich mal für zwei oder drei Stunden in einer anderen Welt bewegen kann. Gleichzeitig bekomme ich neue Impulse und Ideen. Mit dem gewonnenen Abstand betrachte ich viele Dinge nachher noch mal aus einem anderen Blickwinkel.

Heute vor 125 Jahren war die Geburtsstunde des Kinos. Die Brüder Lumière boten in einem Pariser Café öffentliche Filmvorführungen an.

Aktuell fehlt mir das Kino. Im Zuge des Lockdowns in der Pandemie müssen sie geschlossen bleiben. Viele werden diese Zeit finanziell nicht überstehen. Daher zeigen die Kinos auf ihren Internetseiten Unterstützungsmöglichkeiten auf wie den Kauf von Gutscheinen oder Spenden. Es ist eine schwierige Zeit. Aber es ist wichtig, dass Kultureinrichtungen wie das Kino erhalten bleiben. Denn – und an dieser Stelle fällt mir ein Satz aus der Bibel ein: der Mensch lebt nicht vom Brot allein (vgl. Dtn 8,3; Lk 4,4). Der Mensch braucht mehr als reines Essen und Trinken und dazu gehört auch Kultur.

Das Kino ist eine Insel der Auszeit und Inspiration, und zwar mit der Besonderheit, dass ich es hier in Gemeinschaft mit anderen tue. Vielleicht wird dann das erste gemeinsame Filmerlebnis nach der langen Durststrecke umso magischer sein.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=32265
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