SWR4 Abendgedanken

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28DEZ2020
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Weihnachten ist das Fest der Liebe. Das sagen viele. So spiegelt es uns auch die Werbung vor. Ein Familienfest. Alles muss perfekt und harmonisch sein. Voller Liebe und Eintracht.

Oftmals ist dies Fest aber genau das Gegenteil. Selten werden so viele Erwartungen enttäuscht wie an Heiligabend. Weihnachten ist auch das Fest der Streitigkeiten, des Ehekrachs und der Handgreiflichkeiten. Und oft sind die Kinder diejenigen, die zwischen die Fronten geraten.

So wie beim ersten Weihnachtsfest. Damals, so berichtet das Matthäusevangelium, damals hat König Herodes alle Knaben im Alter bis zu zwei Jahren töten lassen. Denn er hatte Angst vor dem neugeborenen Kind, das von Königen beschenkt wurde. Er vermutete einen Konkurrenten. Wie absurd. Ein Kind kommt auf die Welt und seine Geburt führt zu Mord und Totschlag.

An diese unschuldigen Kinder, die damals ihr Leben verloren haben, erinnert der heutige Tag. Man weiß nicht genau, wie das damals war. Aber das spielt auch keine Rolle. Denn dieser Tag gibt ja auch den Kindern heute eine Stimme, an die niemand denkt oder die gar nicht in meinem Blick sind. Weil ich mit zu viel Anderem beschäftig bin oder mich von der weihnachtlichen Harmonie doch manches Mal einlullen lasse.

Heute bekommen die Kinder eine Stimme, die hungern oder als Kindersoldaten in den Krieg ziehen müssen. Kinder, die keine Schule besuchen dürfen, weil sie Geld verdienen müssen, um zu überleben. All diejenigen sollen heute gehört werden. Sie sollen klagen, ihr Geschrei soll an mein Ohr dringen. Damit ich wach werde und genauer hinschaue. Zwischen all dem Lichterglanz und der Weihnachtsdekoration hindurch hinaus in die Welt.

Weihnachten ist auch das Fest des Mitleidens. Ein Fest, an dem ich mich berühren lasse von dem, was in der Welt passiert. Deswegen ist doch Gott als kleines, unschuldiges Kind in die Welt gekommen. Damit er unser Leben teilt, unseren Schmerz und unseren Kummer.

Trotz allem ist Weihnachten auch das Fest der Harmonie und der Liebe. Weil Jesus, der damals geboren wurde gemeinsam mit uns Menschen die Welt verändern möchte in kleinen Schritten. Auch mit einem friedlichen, harmonischen Fest zu seiner Geburt.

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