SWR3 Gedanken

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19DEZ2020
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Falls Sie glauben, die Deutschen hätten die Bürokratie erfunden: Irrtum. Die alten Römer konnten das mindestens genauso gut wie wir. Beispiel: die Volkszählung. Alle paar Jahre gab es im römischen Reich eine Volkszählung. Wegen der Steuern. Und wegen des Militärs. Denn beides brauchte der römische Kaiser. Geld und Soldaten. Damit das römische Reich ein römisches Reich bleiben konnte. Groß und mächtig.

Deshalb also eine Volkszählung. Die führten die jeweiligen Statthalter des Kaisers durch. Und das ganz gern. Weil in aller Regel bei der ganzen Geschichte auch ein erkleckliches Sümmchen in ihre eigenen Taschen wanderte. Und so geschah es vor über zweitausend Jahren. Wieder einmal eine Volkszählung. Mühlen der Bürokratie. In denen Menschen wie viele kleine Steinchen sind. Steinchen, die man zählen will.

Zwei davon sind Maria und Josef. Das junge Paar aus der Weihnachtsgeschichte. Auf der einen Seite beschäftigt mit einer Schwangerschaft. Auf der anderen Seite beschäftigt mit den Mühlen der Bürokratie. Denn da wird nicht einfach gezählt. Da müssen vorher Listen aufgestellt, Formulare ausgefüllt werden. Wie eine Art monumentale Steuererklärung, die Maria und Josef 148 Kilometer durch die Wüste führt. Zum zuständigen römischen Meldeamt. Zum zuständigen wichtigen Beamten. Und der befindet sich in diesem Fall in Bethlehem.

Unsere beiden Steinchen sind auf dem Weg. Maria und Josef. Zwei unwichtige und harmlose Steinchen in den Mühlen der wichtigen Bürokratie einer wichtigen Volkszählung. Die heute kaum noch einen interessieren würde, wenn es nicht diese beiden Steinchen gegeben hätte. Maria und Josef. Die sind wichtig gewesen. Nicht die Volkszählung. Und so ist es oft. Erst die Geschichte zeigt, was wirklich wichtig ist. Die Bürokratie ist es meistens nicht.

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