SWR3 Gedanken

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18DEZ2020
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Es ist ihr ein echtes Anliegen. In einer langen Mail teilt sie mir mit, warum sie aus der Kirche ausgetreten ist. Weil die Evangelische Kirche in Deutschland ein Schiff bezahlt, das im Mittelmeer Flüchtlinge aufliest. Und weil meine Landeskirche das unterstützt.

Damit sind wir Schleuser, sagt sie. Unterstützen Schlepperorganisationen. Befürworten, dass Zeltstädte angezündet werden. Untergraben die Kultur, die unser Land prägt. Bahnen islamistischen Fanatikern den Weg. Das kann sie nicht gutheißen. Das ist nicht ihre Kirche. Sagt sie.

Aber das ist meine Kirche. Es gäbe gar kein christliches Abendland, wenn die heilige Familie nicht in Ägypten Zuflucht gefunden hätte. Und die Kultur des christlichen Abendlandes ist geprägt von einem Wanderrabbi, der eindeutig parteilich war für die Ausgegrenzten und Heimatlosen. Und nationale Grenzen waren ihm herzlich egal.

Im Mittelmeer ertrinken Menschen. Was würde Jesus tun? Im warmen Wohnzimmer über Fluchtursachen diskutieren und wegsehen, wenn Leichensäcke an Strände getragen werden? Wegen weniger schwarzer Schafe alle weißen Schafe ihrem Schicksal überlassen? Oder Boote ausschicken, die zu Tode erschöpfte Menschen einsammeln und Zuflucht schenken? Ich habe so meine Vermutung. Und meinen Glauben.

Und der weiß, dass es um Liebe geht. Und Menschen. Die Hilfe brauchen, die für sich und ihre Kinder eine Zukunft wollen. Und dafür Wege auf sich nehmen, die ich mir gar nicht vorstellen kann. Mag sein, dass uns das als Gesellschaft vor Herausforderungen stellt und unserer Kultur neue Schattierungen gibt. Aber mal ehrlich: Das halten wir doch aus.

Die Menschen, die zu uns kommen, müssen eine Menge aushalten. Und mein Glaube hält aus, dass sie zu uns kommen. Weil ich weiß: Sie haben sonst keinen Raum in der Herberge.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=32230
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