SWR3 Gedanken

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17DEZ2020
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Ich entdecke das Rezept in einer Zeitschrift. Plätzchen, die ich noch nie gebacken habe. Erlesene Zutaten, trickreiche Herstellung. Die Familie fungiert als Versuchskaninchen. Lecker, sagen sie. Mal was Neues. War bestimmt viel Mühe. Was soll ich sagen? Enthusiasmus klingt echt anders.

Also frage ich nach. Sind es die getrockneten Beeren, die exotischen Gewürze? Alle schütteln den Kopf. Es ist das Neue. Sie wollen nichts Neues. Nicht, wenn es um Plätzchen geht. Sie wollen die Plätzchen, die es immer gibt. Helenenschnitten, Spitzbuben, Spritzgebackenes. Die Rezepte, die schon Mutter und Großmutter gebacken haben. Sieh mal einer an.

Die Welt ist voller Innovation. Dauernd soll sich etwas verändern, wandeln, transformieren. Alte Zöpfe will man abschneiden, damit Neues Platz hat. Und oft ist das auch richtig so. Aber offensichtlich gibt es Orte, die keine Innovation vertragen. Noch nicht einmal, wenn es um Plätzchen geht. Und so ein Ort ist Weihnachten.

Weihnachten ist innovationsfreie Zone. An Weihnachten geht es um Tradition. Die ist nicht nur staubig und altbacken, sondern hat auch wohltuende und erfrischende Seiten. Denn es ist doch erfrischend, dass wir uns nicht immer und überall neu erfinden müssen. Manches ist gerade gut, wie es ist und schon immer war. Wenigstens fast immer.

Deswegen backe ich dann doch Helenenschnitten, hänge die Leuchtsterne ins Fenster und stelle die Krippe auf die Fensterbank. Denn all das erinnert mich an die Weihnachtsgeschichte, die ja auch seit 2000 Jahren dieselbe ist. Und sie ist in jedem Jahr gleich gut. Gott wird Mensch in einem Kind, weil er uns so sehr liebt. Liebe darf ruhig Tradition haben, wird niemals ein alter Zopf. Und gerade deshalb ist sie wahnsinnig innovativ.

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