SWR3 Gedanken

SWR3 Gedanken

16DEZ2020
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Letztes Jahr an Heiligabend ist er in mein Leben getreten. Ein kleiner roter Filzengel. Zum Abschied nach dem Gottesdienst drückt ihn mir jemand in die Hand. Ich nehme ihn mit in mein Auto und hänge ihn am Innenspiegel auf. Und da hängt er noch immer.

Ein ganzes Jahr hat er mich begleitet. Hat viele meiner Gedanken gehört. Denn im Auto spreche ich gern mit mir selbst. Er war dabei, wenn ich lauthals und bestens gelaunt die alten Hits mitgegrölt habe oder mir verstohlen eine Träne der Enttäuschung aus den Augen gewischt habe. Bei Vollbremsungen hat er heftig und empört geschaukelt. Und viele Staus hat er still mit mir ausgehalten.

Er ist nur ein kleiner roter Filzengel. Aber in den Monaten, in denen er mit mir fährt, ist er mir ans Herz gewachsen. Ist für mich mehr geworden als ein Dekoartikel. Oft habe ich ihn betrachtet und meine Gedanken wandern lassen. Zu dem, für den dieser Engel steht. Der mich nicht nur auf Autofahrten begleitet, sondern auf allen Wegen, die ich fahre oder gehe.

Der mein Herz kennt und meine Gedanken teilt. Der mit mir tanzt und singt, wenn mir alles gelingt, und der die Tränen trocknet, die keiner sehen soll. Der mich zu Geduld mahnt, wenn das Tempo mit mir durchgeht, und geduldig mit mir ausharrt, wenn gerade mal gar nichts vorwärtsgehen will.

Der kleine rote Filzengel hat keinen Einfluss darauf, wohin ich fahre. Er ist einfach dabei. Und genauso ist das mit Gott. Er lässt mich ziehen, wohin ich will. In aller Freiheit. Aber wohin ich auch gehe und was auch immer mein Leben bringt, ist er an meiner Seite. Ein treuer Begleiter. Den ich keinesfalls missen möchte.

In dem alten Weihnachtslied „Alle Jahre wieder“ klingt das so: „Steht auch mir zur Seite still und unerkannt, dass er treu mich leite an der lieben Hand.“

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