SWR3 Gedanken

SWR3 Gedanken

11DEZ2020
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Samir spielt das Lied „Die Gedanken sind frei“. Um Samir herum sitzen vier ältere Damen, und alle singen mit. Samir arbeitet im Altenheim als Pfleger und die Musik hilft ihm bei seiner Arbeit. Samir spielt die Oud. Eine Oud sieht ganz ähnlich aus wie eine Laute oder eine Gitarre. Und auf der Oud spielt er Klassiker wie „Am Brunnen vor dem Tore“, „Freude schöner Götterfunken“ und natürlich jetzt auch Advendslieder. Samir kann sie alle in- und auswendig. Er sagt: „Demenzkranke erkennen oft ihre eigenen Angehörigen nicht mehr, aber bei Liedern aus ihrer Kindheit können sie noch jede Strophe mitsingen.“ Samir meint: „Die Musik ist die Sprache, die alle Menschen verstehen. Mit ihr lassen sich Menschen verzaubern.“

Ich verstehe was er meint. Mich verzaubert Samir immer wieder mit seinen Liedern aus Syrien. Samir ist vor fünf Jahren wegen des Kriegs nach Deutschland geflohen. Und wenn er die Lieder aus seiner Heimat singt, verstehe ich zwar kein einziges Wort, aber mich fasziniert, mit wie viel Leidenschaft er dann dabei ist. Oft geht es bei seinen Liedern im Grunde um das gleiche wie bei den Volksliedern, die Samir im Pflegeheim singt: Es geht um die Sehnsucht nach einem lieben Menschen oder um Freundschaft. Es geht darum, dass sich jemand nach seiner Heimat sehnt oder von der großen Freiheit träumt. Wenn Samir Musik macht, wird mir immer wieder klar: Wir Menschen sind uns so ähnlich, egal wo wir herkommen. Wir wollen in Freiheit leben, wir sehnen uns nach Freundschaft oder Liebe. Und wir brauchen ein Zuhause.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=32193
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