SWR3 Gedanken

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10DEZ2020
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Sie heißt Erica. Sie ist ein bisschen verstimmt, hat einige Kratzer und drei Knöpfe sind futsch. Aber sie funktioniert noch, die alte Ziehharmonika von meinem Opa Karl. Wenn wir früher an Weihnachten mit der Familie zusammengesessen sind, dann hat mein Opa Karl immer irgendwann seine Ziehharmonika rausgeholt und wir haben Weihnachtslieder hoch und runter gesungen. Und um meine Oma zu necken hat er meistens noch ein Fastnachtslied hinterhergespielt. Wir Kinder fanden das ganz besonders witzig.

Mein Opa lebt schon 21 Jahre nicht mehr, so lange habe ich Erica schon bei mir. Ich habe mir das Ziehharmonikaspielen ein bisschen selbst beigebracht. Und jedes Mal, wenn wir uns als Familie an Weihnachten treffen, nehme ich Erica mit. Wenn wir dann zusammensitzen und ich mit Erica ein paar Lieder begleite, merke ich, wie die Erinnerungen aus meiner Kindheit hochkommen. Es braucht nur ein paar Töne und schon kommen Gefühle hoch, die ganz tief in mir drin sind. Mir kommt es dann so vor, als wäre mein Opa Karl in diesem Moment auch dabei. Ich fühle mich dann besonders verbunden mit ihm und auch mit den Leuten aus der Familie, die drum herumsitzen und mitsingen. Ob das dieses Jahr auch so klappt – wahrscheinlich nicht.

In diesem Jahr ist vieles anders als geplant. Es gibt ein paar Leute, die vermisse ich gerade sehr. Auch wenn ich sie an Weihnachten nicht sehen kann, will ich mich trotzdem mit ihnen verbunden fühlen. Für mich steht fest: Egal ob mit Familie um mich rum oder nicht, einmal setze ich mich hin, denke an Opa Karl und spiele auf der Ziehharmonika Weihnachtslieder und danach vielleicht noch ein Humba Humba Tätärä.

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