SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

09DEZ2020
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Weihnachten wird anders. Anders als sonst. Zumindest anders als geplant und erwartet. Das betrifft uns alle, auf der ganzen Welt. Es wird viele Sorgen geben an den Krippen in den Wohnzimmern. Ich kenne zahlreiche Menschen, für die Weihnachten in diesem Jahr eine echte Zumutung ist. Ich denke an die Traurigkeit in einer Familie, die vom Opa Abschied nehmen musste ohne sich verabschieden zu können. Oder an den 12-jährigen Jungen in unserer Nachbarschaft, der seine Freunde unendlich vermisst - er ist seit April nicht mehr in der Schule gewesen, um seine gefährdeten Eltern zu schützen. Und den Wirt des Restaurants habe ich vor Augen, in dem wir ab und zu essen,– er hat nicht nur viel Geld verloren, er ist selbst schwer erkrankt an Corona und weiß nicht, ob er die Kraft haben wird, weiterzuarbeiten.

Wie kann ich diesen Menschen und so vielen anderen Trost und Hoffnung zusprechen; ohne dass es banal und phrasenhaft klingt? Ich finde das sehr schwer. Dennoch gibt es etwas, das mir Zuversicht gibt. Wenn ich zurückdenke an die Situation in Bethlehem vor über 2000 Jahren: Der Geburtstag von Jesus hatte so gar nichts zu tun mit Friede, Freude, heiler Welt. Mit Lichterglanz in den warmen Stuben. Ich stelle mir vor, dass der Anfang von Weihnachten ziemlich erbärmlich gewesen ist. Abgewiesen und gestrandet vor den Toren der Stadt. In einem kalten Stall. Fernab von zuhause. Müde, erschöpft, enttäuscht. So müssen sich Maria und Josef gefühlt haben.

Wenn das tatsächlich Weihnachten gewesen ist, dann istWeihnachten eigentlich ganz anders! Grundsätzlich und immer. Dann sind wir in diesem Jahr dem Weihnachtsgeschehen so nahe wie schon sehr lange nicht mehr. Und das finde ich irgendwie tröstlich.

Die Autorin Andrea Schwarz hat passende Worte dafür gefunden, die ich gerne weitergeben möchte. Sie schreibt: „Wenn Gott uns nahekommen will, dann ist da nicht nur Lachen, Freude, Glücklich-Sein. Menschliches Leben ist mehr. Dazu gehört auch Weinen, Angst und Hoffnungslosigkeit, dazu gehört auch manchmal der Dreck im eigenen Stall – und der Tod. Wenn Gott zur Welt kommt, dann kommt er gerade auch in diese dunkle Welt, in der Menschen keinen Ausweg mehr wissen. Dann kommt er zu Menschen, die einsam sind und von Angst besetzt, nicht wissen wie sie die nächste Miete bezahlen sollen. Ein Weihnachtsfest, dass diese Dunkelheiten ausklammert, macht eigentlich keinen Sinn.“[1]

Das heißt: Das Weihnachtsfest in diesem Jahr macht also Sinn! Zu wissen, dass aus diesem erbärmlichen Anfang in Bethlehem etwas Großes geworden ist!

 

[1]Vgl.: Andrea Schwarz: „Eigentlich ist Weihnachten ganz anders, Hoffnungstexte“, Verlag Herder

https://www.kirche-im-swr.de/?m=32164
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