SWR4 Abendgedanken

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08DEZ2020
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Heute denkt die katholische Kirche an Maria, an die Mutter von Jesus. In Österreich ist der 8. Dezember sogar ein Feiertag. Ganz offiziell heißt dieser Tag heute: »Hochfest der ohne Erbsünde empfangenen Jungfrau und Gottesmutter Maria«. Was kompliziert klingt, ist eigentlich ganz einfach: Die katholische Kirche erklärt es so: Jeder Mensch, der geboren wird, kommt mit der Erbsünde zur Welt – und wird deshalb im Laufe seines Lebens immer wieder schuldig. Außer Maria. Sie wird ohne diese Sünde geboren. Gedeutet wird es so: Gott braucht wenigstens einen Menschen, auf den er sich in dem Chaos der Welt hundertprozentig verlassen kann. Dazu hat er Maria erwählt. Sie bleibt frei von Schuld und Sünde und kann deshalb ganz frei sein für Gott. Sie stellt ihre eigenen Interessen zurück und hört ganz auf Gott. Vor allem in dem Moment, als es drauf ankommt: Sie glaubt dem Engel, der ihr verkündet, dass sie ein Kind bekommt. Sie stimmt zu – „mir geschehe, wie Du gesagt hast“. Und sie scheint keine Angst zu haben vor dieser unfassbar großen Lebensaufgabe, die Mutter von Gottes Sohn zu werden.

Ob Maria jetzt tatsächlich ohne diese Erbsünde geboren wurde und ob sie bei der Geburt von Jesus tatsächlich noch Jungfrau war – das spielt für mich keine Rolle. Entscheidend ist: Maria hat Ja gesagt zu dieser Situation, sie steht zu dem Kind. Und Josef steht zu Maria. Beide kümmern sich - umeinander und um das Kind, das ihnen, wie auch immer, geschenkt ist. Sie nehmen sich und all die Umstände an, ohne Vorwürfe, ohne zu hinterfragen. Dabei hatte sicher auch Josef ganz andere Pläne für sein Leben.

Mit dieser Maria, mit dieser kleinen Familie ohne Trauschein, mit der kann ich mich gut anfreunden. Weil ihr Leben alles andere als heil und „heilig“ ist. Von Anfang an: Da gibt es kein vorbereitetes Kinderzimmer, sondern den Stall unterwegs. Wenige Tage nach der Geburt müssen die drei schon wieder aufbrechen, einen anderen Weg nehmen als geplant. Sich wieder neu einlassen auf die Situation. Mit dieser Frau und Mutter leide ich ich mit, wenn sie ihren pubertierenden Sohn nach tagelanger Suche im Tempel findet. Trotz allem steht sie hinter ihm, bleibt ihm nahe. Bis zum Ende. Sie muss sogar den Tod ihres Sohnes aushalten.

An diesem Marien-Gedenktag heute denke ich an alle Frauen, die, wie Maria, nicht viele Worte machen. Die leben, die leiden und kämpfen, die sich einlassen und Kinder auf die Welt bringen. Die Entscheidungen treffen, handeln, durchhalten und wieder von vorne beginnen. Ich hoffe und wünsche mir, dass dies alles immer wieder gelingt - mit Gottvertrauen. Erst recht in diesem Jahr.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=32163
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