SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

03DEZ2020
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Manchmal muss ich aus dem Alltag raus und etwas ganz anderes machen. Ja, ich lese gerne, ich koche auch gern, aber in der Adventszeit muss ich jedes Jahr ein paar Sterne basteln. Das trauen mir manche vielleicht gar nicht zu. Stundenlang kann ich mich an einem Stern verlieren und probiere alles Mögliche aus, bis ich das habe, was ich will.  Das Sternebasteln ist bei mir ein Prozess. Meine Familie hat sich daran gewöhnt. Ganz im Gegensatz zu meiner Freundin mag ich nämlich keine Bastelvorlagen. Diese endlosen Anleitungen mit kleinen Bildern, bei denen ich mich irgendwann frage, wo eigentlich die dritte Hand herkommen soll. Oder die immer wieder einkehrende Erkenntnis, dass der Klebstoff überall klebt, nur nicht da, wo er kleben soll. Ich frage mich dann immer, wer sich so etwas nur ausdenkt. Meine Sterne sind ganz verschieden und  entstehen ohne Anleitung.

Jetzt habe ich die Kiste mit den Sternen der vergangenen Jahre aus dem Keller geholt. Da habe ich gemerkt, dass sie im Grunde viel von mir erzählen. Da sticht z.B. ein Stern aus der Kiste heraus, weil er ganz und gar bunt ist. Er ist in dem Jahr entstanden, als ich wegen eines Unfalls über Tage ruhig liegen bleiben sollte. „Bein hoch, kühlen. Sonst nichts“ hatte der Arzt gesagt. Oh, das war mir so zuwider! Ich habe es vermisst, unterwegs zu sein. Also musste Farbe ins Haus, viel Farbe, wenn ich schon nicht raus konnte. Dann gab es das Jahr als ich mich zusammen mit meiner Tochter an Fröbelsternen versucht habe. Ein Abenteuer ohne genaue Anleitung, aber irgendwann hatten wir es raus. Es war eine ungeheure Teamarbeit und wir beide brauchten einander in dieser Zeit sehr. Daran erinnere ich mich gerne. Die diesjährigen Sterne sind vergangene Woche entstanden. Es sind weiße, ganz leichte Tranparentsterne für das Fenster geworden. Sie bestehen aus ganz vielen einzeln gefalteten Spitzen, die dann in einem zweiten Schritt zusammengeklebt wurden. Sie entsprechen dem, was mich gerade bewegt. Eben, wie wir zur Zeit als einzelne unterwegs sind und doch eine Sehnsucht nach Gemeinschaft haben.

Ich wünsche Ihnen, dass Sie in diesen Wochen auch Ihren eigenen Stern finden. Ein Stern, der Ihnen entspricht -und Ihnen hilft, den Weg zur Krippe zu finden.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=32143
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