SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

25NOV2020
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

Ramon Gehrmann, Trainer der Stuttgarter Kickers, hat ein beeindruckendes Bekenntnis abgelegt. Bei einer Pressekonferenz sagt er: „Ich bin ja katholisch.“ Das wäre an und für sich schon interessant, dass ein deutscher Fußballer so was sagt. Aber viel spektakulärer ist der Zusammenhang. Seine Mannschaft bekommt ein Tor zugesprochen, und weil er der Meinung ist „Zu Unrecht!“, der Schiedsrichter seine Entscheidung aber nicht mehr zurücknehmen kann, ordnet er an, dass seine Mannschaft ein Eigentor schießt. Was für eine Geste. Jeder versteht sofort, was dahintersteckt, was der Trainer Gehrmann damit ausdrücken will: Bei uns soll es gerecht zugehen. Wenn was falsch läuft, kann man das korrigieren. Richtiger Sport funktioniert nur mit Fairplay. Aber darauf angesprochen, warum er das gemacht hat, kommt dann bei ihm noch eine zusätzliche Motivation mit ins Spiel: Sein Glaube. Was er wohl von zuhause mitgekriegt hat, was man tut, wenn man katholisch ist. Wobei’s auf die Konfession hier gar nicht ankommt. Diese unmittelbare Verknüpfung von Glauben und Handeln, die hat mich sehr berührt. Und ich hab mir gedacht: da kann ich lange predigen, da kann meine Kirche noch so kluge pastorale Konzepte vorlegen und von missionarischer Seelsorge sprechen. Mit einem halben Satz hat Gehrmann klar gemacht, worauf es ankommt. Das ist eine Predigt, die Tausende erreicht und die alle verstanden haben. Ich bin katholisch. Also lege ich Wert darauf, dass es bei mir gerecht zugeht!

Ganz ohne Frage hat die gegnerische Mannschaft gehofft, der Schiedsrichter habe bemerkt, dass das Tor nicht rechtens war. Hat er aber nicht. So was passiert unentwegt. Entscheidend ist aber, dass dann ein anderer kapiert, was er jetzt brauchen würde. Wenn er in dieser Lage wäre. Und dass er deshalb bereit ist, das Richtige zu tun. So ganz nebenbei und bestimmt unbeabsichtigt hat der Fußballtrainer auf diese Weise das eine Hauptgebot des christlichen Glaubens ins Spiel gebracht:  Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst. Gehrmann hat es so gedeutet, wie es gedeutet werden muss. Nämlich höchst konkret und unbedingt praktisch. Den Nächsten, dem wir unsere Liebe geben, können wir uns nicht aussuchen. Er ist immer einfach da, dort, wo wir eben auch sind. In diesem Fall: Auf dem Fußballplatz.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=32079
weiterlesen...