SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

24NOV2020
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November ist Totenmonat. Alle großen Totengedenktage fallen in diesen Monat. Und die dunklere Jahreszeit lässt bei vielen auch dunklere Gedanken aufkommen. An den Tod und die eigene Vergänglichkeit. Wenn ich in der Schule auf das Thema Todzu sprechen komme, wird es im Klassenzimmer immer ganz ruhig. Alle hören aufmerksam zu, auch wenn vorher die Konzentration nicht ganz so gut war. Ich kann spüren, dass es den Jungs und Mädchen nahe geht, wenn vom Tod gesprochen wird. Das Zimmer ist dann von heiliger Ehrfurcht ergriffen. Das trifft für mich die Atmosphäre am besten. Und hat nichts damit zu tun, dass es im Religionsunterricht ist oder dass ich Pfarrer bin. Alle spüren, dass es beim Tod um etwas Großes geht. Etwas, das wir nicht in der Hand haben. Etwas, über das man nur vorsichtig und mit Feingefühl sprechen kann. Manche Schüler haben schon eigene hautnahe Erfahrungen mit dem Tod gemacht, haben einen Bruder oder eine Schwester verloren oder ein Elternteil. Der Großvater einer Schülerin liegt gerade mit Corona auf der Intensivstation, und sie ist in großer Sorge, was ihn erwartet. Darüber zu sprechen, tut ihr weh und sie muss mit den Tränen kämpfen. Aber es tut auch gut zu wissen, dass das Mädchen neben ihr für sie da ist, sie in den Arm nimmt und tröstet. Ich spüre, dass es den meisten jungen Leuten nicht leicht fällt, in Worte zu fassen, was sie über den Tod denken. Aber sie gewinnen mit der Zeit auch etwas mehr Sicherheit und finden das rechte Maß - wie weit sie das Thema an sich heranlassen wollen und wo es besser ist, sich innerlich zu distanzieren. Ich finde deshalb, das Thema Tod gehört unbedingt in die Schule. Und der Religionsunterricht ist dafür genau der richtige Ort. Wie gut, dass es dieses Fach in unseren Schulen gibt. Weil Lernen nicht nur etwas mit wissenschaftlichen Fakten zu tun hat. Weil zu uns Menschen auch gehört, dass wir uns Sorgen machen, dass uns Ängste befallen. Weil wir Grenzen haben, an die wir stoßen und Erfahrungen sammeln müssen, wie wir damit umgehen. Für den Tod gilt das in ganz besonderer Weise. Es ist wichtig, nicht alleine zu sein, wenn man mit dem Tod konfrontiert ist, sondern zu hören, wie andere damit umgehen. Das gehört für mich unbedingt dazu, wenn es heißt, dass man in der Schule etwas fürs Leben lernt.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=32078
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