SWR3 Gedanken

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17NOV2020
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Zum ersten Mal bin ich bei meiner Freundin Lisa Zuhause und lerne ihren Vater kennen. Er ist Anfang 80 und hält sich mühsam aufrecht, als wir uns begrüßen. Gleichzeitig merke ich, wie sehr er sich freut, dass ihn seine Tochter mit einer Freundin besucht. Aus der Küche kommt der Duft von frischgebackenem Apfelkuchen.

Er stellt sich mit seinem Namen vor und sagt dann erklärend dazu „ich bin Lisas Mutter.“ Sofort bemerkt er seinen Versprecher und korrigiert sich: „Nein, ihr Vater natürlich. Sie wissen sicher, dass Lisas Mutter schon vor 15 Jahren gestorben ist. Ich habe eben daran gedacht, dass sie sich auch über den Besuch gefreut hätte. Entschuldigen Sie.“

Es wird ein sehr netter Nachmittag. Lisas Vater ist ein aufmerksamer Zuhörer, wunderbarer Gastgeber und erzählt die lustigsten Anekdoten. Als ich wieder Zuhause bin, denke ich nochmal an seinen Versprecher: „Ich bin Lisas Mutter“. So wie er mit Lisa umgeht, würde das auch passen.

Irgendwie entspricht das auch meinen Vorstellungen von Gott. Ich bin das Vater-Mutter, männlich-weiblich Gezerre um Gott so leid. Wäre doch schön, wenn Gott als Vater gleichzeitig Mutter ist.

Bei diesem Gedanken habe ich den Duft des frischgebackenen Apfelkuchens bei Lisas Vater in der Nase. Ich stelle mir vor, wie Gott mir in Gestalt von Lisas Vater den Kuchen auftischt und sagt:
„Ich bin Deine Mutter.“ So bin ich gerne Gottes Kind.

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