SWR2 Wort zum Tag

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20NOV2020
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Mensch, was ein Zufall! Mit diesem Ausruf beschreiben Menschen oft eine Situation oder eine Begegnung, in der etwas geschehen ist, was so nicht vorhersehbar war meist in einem glückenden Sinn.

Ich kann mich zum Beispiel gut an eine Begebenheit erinnern, die ich als Student erlebt habe. Weil ich noch kein eigenes Auto hatte, bin ich während meines Studiums oft getrampt. Einmal landete ich mitten in der Nacht zwischen Bern und Basel auf einem unbeleuchteten kleinen verlassenen Nebenparkplatz. Da war mir ganz schön mulmig. Aber ich hatte Glück. Zufälligerweise kam ein Geschäftsmann mit seiner großen Limousine. Und nahm mich tatsächlich mit. Ich weiß noch, wie froh und dankbar ich da war.

Zufall oder nicht? Die Antwort hängt ganz davon ab, wie man es sieht. Ich meine, das Wort „Zufall“ kann ein Geschehen beschreiben und vielleicht auch erklären. Aber einen Sinn geben kann es ihm nicht. Darum fällt es mir persönlich schwer, alles dem Zufall zuzuschreiben. Letztlich wäre dann mein ganzes Leben nichts anderes als eine Ansammlung oder Aneinanderreihung von Zufälligkeiten. Und damit ohne Sinn.

Daher glaube ich viel eher, dass es Situationen im Leben gibt, die auf Gott schließen lassen. Albert Schweitzer, der Theologe, Arzt und Musiker, hat das so zum Ausdruck gebracht: „Der Zufall ist das Pseudonym, das der liebe Gott wählt, wenn er inkognito bleiben will.“

Das ist doch ein interessanter Gedanke: Dass Gott manchmal unter einem Decknamen arbeitet. Mir auf unbekannte und manchmal vielleicht auch ungekannte Weise in den verschiedensten Situationen meines Lebens begegnet. Und er sich mir nicht aufdrängen will, bleibt er inkognito. Er lässt mir die freie Wahl, ob ich ihn hinter einem Geschehen vermuten will oder nicht. Das gefällt mir. Dass Gott mir diese Freiheit lässt. Dass er mir mit solchen „Zufällen“ einen Deutungshorizont eröffnet in meinem Fragen nach dem warum und wieso. Manchmal ist das auch schwer. Bei schlechten Erfahrungen im Leben. Da ist es kaum auszuhalten, wenn Gott sich nicht zeigt.

Im Zweifelsfall halte ich mich dann an den Rat von Martin Luther: „Auf das Gute schauen“, das Gott einem zufallen lässt. Wie damals den Auto-Fahrer in der Nacht auf dem Parkplatz zwischen Bern und Basel.

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