Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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12NOV2020
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Es ist schon merkwürdig mit uns Menschen - ich verallgemeinere das jetzt mal ein wenig - einerseits träumen wir von Perfektion:
Von einem perfekten Leben, mit perfekter Berufswahl, perfektem Urlaub, perfektem Körper, perfekter Partnerschaft, perfekter Hochzeit, den tollsten Kindern, oder was da sonst zu wünschen wäre...Am Besten so, wie in den schönen Geschichten im Fernsehen.
Und gleichzeitig weiß ich doch sehr gut: Perfekt - das geht überhaupt nicht; nicht im richtigen Leben. Ja, eigentlich weiß ich sehr gut, dass ich mit meinem Wunsch nach Perfektion auf dem falschen Dampfer bin.

Meine Sehnsucht folgt der Suche nach etwas Unbestimmtem, Verlorenem, Abhandengekommenen - oder auch nie Dagewesenem... Dem Gefühl von Geborgenheit und Gehaltenwerden und Ankommen... - Heimat, im besten Sinne.

Das Land der Sehnsucht ist alles andere, als perfekt. Die Farbe blättert von den Wänden, die Dielen knarren und das Sofa ist abgewetzt. Aber das spielt keine Rolle. Wo eine gute Erinnerung aufsteigt, und sei es nur ein Duft, da soll alles so bleiben, wie es war. Was zählt ist, dass ich mich dort aufgehoben fühlt.
Wie oft werde ich von dieser stillen Sehnsucht geleitet und merke es kaum?

Ich greife nach der einen Marmelade, die ein wenig aussieht wie von Oma gemacht. Und lasse eine andere links liegen, weil sie zu perfekt erscheint. Denn „perfekt“ löst kein Wohlgefühl aus. „Hausgemacht“ und „selbstgemacht“ - das sind die Sehnsuchtsworte.

Warum? Weil ich damit ganz automatisch die Zeit und die Liebe verbinde, die da hineingeflossen ist. Das ist aber weder messbar noch perfekt.

Schon merkwürdig, oder? Dieser Widerspruch zwischen Sehnsucht und Perfektion. Vielleicht liegt es daran, dass meine Wunschträume von außen mit beeinflusst werden. Von der Werbung vielleicht, oder dem Fernsehen. Da jage ich schnell mal Träumen nach, die gar nicht aus mir selber kommen.

Aber meine Sehnsucht erzählt mir etwas über mein tieferes Wesen. Was mich mit Gott und der Welt verbindet. Und mich wirklich glücklich macht.   

https://www.kirche-im-swr.de/?m=32009
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