SWR2 Wort zum Tag

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10NOV2020
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Ob es Martinszug heißen darf,  im Kindergarten oder in der Grundschule, im Dorf oder im Stadtteil? Gefühlt ist es lange her, dass das diskutiert werden musste. Nennt es doch Lichter-Prozession oder SonneMondundSterne-Fest.  Unwichtig, dass Fest und Umzug in diesen Tagen eigentlich traditionell an den heiligen Martin erinnern – an den römischen Soldaten, der seinen Mantel zerreißt und die Hälfte einem Bettler am Straßenrand gibt. Wer alles irgendwie Religiöse lieber weghaben will und die Kinder jedenfalls davor verschonen möchte, würde das lieber vergessen.

Wie gesagt: gefühlt ist das lange her. Im Moment stehen Freundinnen und Feinde von Martins-Umzug und Lichterfest ganz ohne Umzug und Laternen Gang da. Corona-Pandemie ist angesagt; Kontakte auf ein Minimum reduzieren, heißt die Regel. Es lohnt kaum, darüber zu diskutieren: findet doch draußen statt, da verflüchtigen sich die Aerosole doch und alle könnten einsfünfzig Abstand halten…

Kann sein, dass der konkrete Infektionsschutz-Effekt eher gering ist; kann sein, die Kinder verbreiten das Virus sowieso nur ganz wenig. Jetzt, in diesem einen Jahr auf den Umzug zu verzichten, hat eben auch eine symbolische Bedeutung. Wir verzichten darauf, mit den Kindern und ihren Laternen  durch den dunklen Abend zu ziehen – obwohl wir wissen, wie wichtig und wie schön und aufregend das alles für sie wäre. (Und, zugegeben: Für viele Erwachsene ja doch auch.) Und setzen mit diesem Verzicht ein Zeichen: Es muss jetzt wirklich alles getan oder eben gelassen werden, was auch nur einen kleinen Beitrag gegen die Corona-Gefahren leisten kann. Sicher haben viele Pfarreien und KiTas und auch manche Familien  gute Ideen, wie der Martins-Abend auch in diesem Jahr zum Fest wird. Mit Geschichten von St. Martin, mit leckeren Weckmännern oder Brezeln. Viele stellen ihre Laternen noch bis zum Wochenende ins Fenster und verteilen das Licht so. Oder bringen die neue gebastelte Laterne zum benachbarten Seniorenheim…

Teilen wie der heilige Martin – das regt gute Phantasien an. Und wer auf Laternenzug und Singen und Martinsfeuer leider verzichten muss, übernimmt eben doch auch ein Stück Verantwortung: für die eigene Gesundheit und noch mehr für den Schutz von anderen Menschen vor dem Virus, das für so viele so gefährlich sein kann.

Ich finde, das ist ganz im Sinne von Sankt Martin.  Der soll nach der Aktion mit dem Bettler am Straßenrand  von Jesus Christus geträumt haben; der trug Martins Soldatenmantel. und hat ihm gesagt: „Das hast du mir getan“. Und das ist mehr als „nur“ ein Zeichen!

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