Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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06NOV2020
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„Ich muss auf mich aufpassen. Ich muss mir etwas Gutes tun. Ich muss meine Mitte finden.“ Wenn ich mich mit solchen Sätzen ermahne auf mich selbst zu achten, kann mich dasvor Überforderung oder gar einem Burn-Out schützen. Und es ist ja auch richtig, wenn jeder mit seinen Kräften haushaltet und auf sich achtet.

Zugleich habe ich ein ungutes Gefühl, wenn diese Sätze allzu häufig auftreten. Manchmal kommen sie mir vor wie ein wachsender Kult um das eigene Ich. Alles dreht sich um mich – ichmuss auf michaufpassen, ichmuss miretwas Gutes tun. Daran irritiert mich nicht nur, dass hier ganz das eigene Wohlbefinden im Mittelpunkt steht und andere Menschen vielleicht aus dem Blick geraten. Mir ist auch nicht wohl bei dem Gedanken, dass ich alles selbst machen muss. Ich muss auf mich achten – achtet denn kein anderer auf mich? Ich muss mir etwas Gutes tun – tut mir den sonst niemand Gutes?

Wenn es mir wirklich schlecht geht, reicht es aber oft nicht zu sagen: Ich muss auf mich achten.

Da hilft mir eine andere Ansage mehr: In der Bibel etwa heißt es nicht „Du musst auf dich selbst achten“.  Sondern über 60 mal lese ich dort: „Steh auf!“. Doch nicht „Steh auf“ im Sinn von „Reiß´ dich zusammen.“ Sondern wer da spricht, der hilft auch beim Aufstehen. Da sind Menschen krank, verzweifelt, hungrig oder ängstlich. Und andere treten zu ihnen, helfen und sagen: Steh jetzt auf, du kannst wieder auf eigenen Beinen stehen. Da liegt ein Verzweifelter am Boden und ein Engel tritt zu ihm und sagt: Steh auf und iss, damit du zu Kräften kommst. Jesus heilt einen Gelähmten und fordert ihn auf: Steh auf und geh! In diesem „Steh auf“ steckt beides: Die helfende Nähe eines anderen unddie Notwendigkeit eigenen Handelns. Da kreist nicht einer um sich selbst. Und er ist auch nicht auf sich alleine angewiesen. Es sind vielmehr immer zwei beteiligt. Einer reicht hilfreich die Hand und sagt „Steh auf!“ Und der andere fasst wieder Mut und steht tatsächlich auf.

In einer wirklichen Not möchte ich nicht auf mich alleine beschränkt sein. Da hilft mir mehr, wenn einer mich ermutigt, mir hilft und sagt: Steh auf.

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