Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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05NOV2020
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Bitte stellen Sie sich folgendes vor: Sie betreten im Erdgeschoss den Aufzug und – oh Wunder – die Bundeskanzlerin ist schon in der Kabine. Jetzt haben Sie Zeit bis zum vierten Stock, um der Regierungschefin endlich zu sagen, was Ihnen wichtig ist. Was würden Sie der Kanzlerin wohl in 60 Sekunden über sich oder Ihre politischen Anliegen sagen?

Solche Situationen werden in Management- und Marketing-Kursen geübt. Eine junge Managerin begegnet im Spiel in einem Aufzug oder bei einem Empfang einer wichtigen Persönlichkeit - einer Politikerin, einem Wirtschaftsboss, einem Industriellen. Und nun hat sie höchstens 60 Sekunden Zeit, ihr Produkt - oder auch sich selbst - dieser Persönlichkeit zu empfehlen. In dieser Zeit soll der Angesprochene so neugierig gemacht werden, dass er das Gespräch bei anderer Gelegenheit fortsetzen will.

Nach einer besonders langenPredigt dachte ich an diese Managerübung. Vielleicht wäre es ja auch für unser religiöses Sprechen gut, eine solche kurze Ansprache drauf zu haben, eine solche „Aufzugsrede“. Zwar sind wir als Christen keine religiösen Manager, wir verkaufen auch kein Produkt und drängen uns niemand im Aufzug auf. Aber ein kurzes Statement passt vielleicht öfter und findet mehr Aufmerksamkeit als eine lange Predigt. Etwa wenn andere im Gespräch fragen: Was glaubst du eigentlich?

Vielleicht könnte meine 60-Sekunden-Rede so lauten:
Als Christ habe ich erfahren: DerGlaube an Gott lässt mich das Gute in meinem Leben besser verstehen und tiefer erleben. Etwa wenn mir etwas Wichtiges gelingt, wenn mir Menschen liebevoll begegnen oder wenn ich tatkräftig helfen kann, dann erlebe ich das auch als Geschenk Gottes. Zugleich habe ich erfahren, dass mir mein Glaube selbst in tiefster Dunkelheit und Ausweglosigkeit noch Orientierung gibt und Mut macht. Für beides bin ich dankbar. Und aus Dankbarkeit möchte ich auch für andere Menschen da sein. Von anderen Gläubigen weiß ich, dass es vielen so geht, dass der Glaube das Leben reicher machen kann. Deshalb: Falls jemand mit mir über den Glauben sprechen will, weil er sich davon etwas verspricht, bin ich dazu gerne bereit. Zur Not auch im Aufzug.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=31957
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