SWR2 Wort zum Tag

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04NOV2020
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Für uns Europäer wirkt es merkwürdig. Aber die US-Amerikaner wählen ihren Präsidenten an einem Dienstag. Seit dem Jahr 1845 ist das so. Die Wahl findet am Dienstag nach dem ersten Montag im November statt.

Dafür gibt es einen Grund: im November hatten die Farmer ihre Ernte  eingeholt. Der Sonntag war für den Gottesdienst bestimmt. Der Montag wurde zur Anreise zu den Wahlorten genutzt. Am Dienstag schließlich: die Wahl.

Eigentlich eine gute Abfolge, finde ich, es bleibt einem Zeit, sich Gedanken zu machen. Über die Frage, wer und was zur Wahl steht. Und welche Person das am besten verkörpert.

Mir fällt dazu eine Geschichte aus der Bibel ein. Sie hat mit einer politischen Wahl im heutigen Sinn nichts zu tun. Aber es geht auch da um eine Wahl.

Jesus ist in einem Haus zu Gast, in das ihn zwei Schwestern eingeladen haben. Maria und Martha. Beide sind rührend bemüht, es dem hochgeschätzten Gast so angenehm wie möglich zu machen.

Martha ist die aktive. Sie rotiert, um aufzubieten, was Küche und Keller bieten. Maria bringt ihre Wertschätzung gegenüber dem Gast auf andere Weise zum Ausdruck. Sie setzt sich zu seinen Füßen und lauscht seinen Worten. Sie hört auf das, was der Gast zu sagen hat.

Was ist wichtiger? Erstaunlicherweise sagt Jesus am Ende der Geschichte „Maria hat das gute Teil erwählt.“ Kein Grund also, Maria für ihr vermeintliche Passivität zu kritisieren. Im Gegenteil. Es gibt Situationen, wo das Hinhören und Hinschauen wichtiger ist als das Tun und Machen.

Und was hat diese Geschichte mit einer Wahl zu tun? Mir macht sie deutlich, was die Voraussetzungen sind, um eine gute Wahl zu treffen. Genau hinhören, genau hinschauen! Um so Klarheit zu gewinnen für eine vernünftige Entscheidung.

Zu beobachten war ja in den letzten Wochen etwas Anderes: wie die Nervosität größer wurde, die Hektik, die üble Nachrede. Auch die Polarisierung zwischen den Einen hier und den Anderen dort.

Die Geschichte von Maria und Martha dagegen macht mir deutlich, worum es geht. Nicht nur bei Wahlen. Sie legt die Voraussetzungen offen für vernünftige Entscheidungen und eine gute Politik.

Mir leuchtet ein, warum der Wahlgang mit einem Gottesdienst beginnt. Damit ich mich besinnen kann auf das, worauf es ankommt. Besonnenheit, Klugheit und den Willen, Brücken zu bauen.
Das gilt vor der Wahl, aber ebenso sehr jetzt nach der Wahl!

https://www.kirche-im-swr.de/?m=31935
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