SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

03NOV2020
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

„Das ganze Unglück der Menschen rührt allein daher, dass sie nicht ruhig in einem Zimmer zu bleiben vermögen.“ Blaise Pascal hat das gesagt, ein französischer Physiker, Mathematiker und Philosoph.

Zugegeben, das ist ein zugespitzter Satz! Zumal, wenn man bedenkt, dass Pascal im 17. Jahrhundert gelebt hat. Da hielt sich die Mobilität der Menschen noch sehr in Grenzen. Und einen Tourismus, wie wir ihn heute haben, gab es auch nicht.

Trotzdem finde ich seinen Satz auch heute bedenkenswert. Denn richtig ist ja, dass Menschen zu allen Zeiten Unruhe in sich getragen haben. Vielleicht ist sie Teil unseres nomadischen Erbes, als wir immer auf der Suche sein mussten nach Nahrung und neuen Jagdgründen.

Heutzutage erlebe ich die verbreitete Unruhe eher als etwas Anderes: als Ausdruck der Angst, ich könnte etwas verpassen oder versäumen.

Wenn es aber etwas aus der Coronakrise zu lernen gibt, dann ist es auch dieses: dass wir gerade im Blick auf unseren überdrehten Bewegungsdrang und Bewegungsdruck die Maße neu justieren müssen.  

Wir werden uns fragen, welche Reise oder welche Tour muss ich nicht machen, damit mir Gelegenheit bleibt, den Reiz der Nähe zu entdecken? Was muss ich alles nicht erreichen oder gesehen haben, damit die Freude an den Dingen steigt, die ich um mich habe? Was ist verzichtbar, weil es nur eine Folge – vielleicht schlechter - Gewohnheit ist?

Gewiss, der Mensch wird ein unruhiges Wesen bleiben. Seit biblischen Zeiten ist das so, wo dem Kain gesagt ist: „Unstet und flüchtig sollst du sein auf Erden.“

Wie wäre es aber, wenn wir die Chance ergreifen würden, unser Leben neu zu justieren? Auf Maße, die unsere materiellen wie seelischen Ressourcen schonen. Das geht besser, wenn ich weiß, zu welchem Ziel ich unterwegs bin. Wenn ich bedenke, was ich – unterwegs mit leichterem Gepäck - alles sein und bleiben lassen kann.

Der Kirchenvater Augustin hat im 5. Jahrhundert geschrieben: „Unruhig ist meine Seele bis sie ruht in dir“. Das ist eine Ruhe, die zu erreichen nicht in meiner Hand und innerhalb meiner Möglichkeiten liegt.

Aber ich kann mich darauf zu bewegen. Gelassenen Schrittes. Mit ruhigem Atem. Aufmerksam auf das, was am Rande des Weges liegt. Und was ich in der Eile leicht übersehen würde.

Ich bin sicher, wenn ich das Nahe nicht geringer schätze als die Weite, gewinne ich an Ruhe, Gelassenheit und Lebensglück.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=31934
weiterlesen...