SWR3 Gedanken

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27OKT2020
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David und Gina schmecken gerade nichts. David ist mein Neffe und Gina seine Freundin. Die beiden haben gerade eine Corona-Infektion überstanden und es geht ihnen wieder gut. Nur dass sie nichts schmecken können, das dauert noch. 

Es gibt ja weiß Gott Schlimmeres, möchte man meinen. Und doch ist das schon ein Verlust, wenn jemand nicht mehr richtig schmecken kann. Ist das Kartoffelbrei oder ein Pudding? Ist auf dem Brötchen Marmelade oder Leberwurst?

Aber wie ist es mit einem ganz anderen Geschmack, den man auch verlieren kann? Nämlich der Geschmack am Leben. 

Zum Beispiel die, die um einen lieben Menschen trauern. Für sie ist oft alles nur fade. Wenn jemand in der Seele so traurig ist, dann schmeckt nichts mehr, selbst der Lieblingskuchen nicht. 

Den Geschmack am Leben verlieren oft auch die, die mit einer Depression kämpfen. Wer an dieser Seelenkrankheit leitet, dem schmeckt auch oft nichts mehr. Das Frühstück nicht, das Mittagessen nicht, der ganze Tag nicht. 

Was mache ich aber, wenn ich mit Menschen zusammenlebe, die ihren Geschmack am Leben verloren haben, die trauern oder depressiv sind? Wenn ich nah dabei bin, kann ich nur versuchen es auszuhalten, dass dem anderen gerade so viel fehlt. Und ich kann dafür sorgen, dass mir dabei der Geschmack nicht verloren geht. Bei aller Fürsorge auch für mich sorgen. Egal, was ich mache: ich kann nicht für jemanden anderen schmecken.

Und ich kann, wenn ich mich besonders hilflos fühle auch beten. „Gott, wir brauchen dich. Schenke ihn wieder: den Geschmack am Leben!“

https://www.kirche-im-swr.de/?m=31919
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