SWR2 Wort zum Tag

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22OKT2020
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Der Südwesten der Republik ist auch heute noch gerne ganz vorne. Wirtschaftlich. Kulturell. Furchtbar ganz vorne sein wollte er am 22. Oktober 1940. Heute vor 80 Jahren. Mitten in der Schreckensherrschaft der Nazis. Der Südwesten wollte als erste Region des Reichs judenfrei sein. In den frühen Morgenstunden polterten die Gestapo-Leute bei den Mitbürgern jüdischen Glaubens an die Tür. In Baden. In der Pfalz. Im Saarland. Bis heute kennen wir die Namen der Verschleppten. Paul Niedermann aus Karlsruhe. Margot Schwarzschild aus Kaiserslautern. Salomon Maier aus Kippenheim. Lotte Jordan aus Bruchsal. Sie stehen für die vielen anderen. Mehr als sechseinhalbtausend Menschen insgesamt. Viele wurden später von Gurs nach Auschwitz gebracht und dort ermordet.

Es waren Frauen und Männer aus der unmittelbaren Nachbarschaft. Es waren die Klassenkameraden der eigenen Kinder, die aus der Schule geholt wurden. Niemand konnte mehr wegsehen. Aber auch darin waren die Menschen dann ganz vorne.

All diese Menschen sind nicht vergessen. Gottseidank! Weil längst Jugendliche ganz vorne sind. Und das Gedenken wachhalten. Ein eindrückliches Beispiel: In Neckarzimmern bei Mosbach stehen inzwischen fast 140 Gedenksteine. Und immer noch kommen neue dazu. Jeder Stein erinnert an einen Ort in unserer Gegend, von dem aus jüdische Menschen nach Gurs deportiert worden sind. Junge Menschen haben diese Steine gestaltet. Ein identischer Stein steht dann auch in jedem der Orte selber.

Das große Vorbild aller Erinnerungsorte, die Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem. Sie verdankt ihren Namen einem Satz aus der Bibel. „Ich will ihnen ein Denkmal und einen Namen geben. Einen ewigen Namen will ich ihnen geben, der nicht vergehen soll.“ (Jesaja 56,5) Darin ganz vorne zu sein, das ist das, was uns heute bleibt. Den Ermordeten ein Denkmal und einen Namen geben. Und so die Erinnerung an sie wachhalten. Und die Ermahnung, dass sich so etwas nicht wiederholen darf.

Das Engagement dieser Jugendlichen hilft, dass der Südwesten der Republik als Ort antisemitischer Einstellungen nicht auch noch ganz vorne ist. Keine Religion kann Anlass dafür sein, dass Menschen aussortiert werden. Schon gar nicht die, die längst meine Nachbarn sind. Ganz vorne möchte ich sein, dass diese Menschen ohne Angst leben können.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=31897
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