SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

22OKT2020
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Wenn etwas nicht so funktioniert, wie ich das will, dann kann ich wirklich ärgerlich werden. Dann sag ich Wörter, die ich hier lieber nicht wiederhole. Wenn mein Computer abstürzt und alles, was ich in der vergangenen Stunde gearbeitet habe, ist verloren. Oder wenn ich zu einem wichtigen Termin muss und dann fällt die Bahn aus. Oberleitungsschaden! Die nächste Bahn kommt erst in einer Stunde. Das sind Situationen, die machen mich ärgerlich. Mein Ärger liegt dabei vor allem daran, dass ich mich hilflos fühle und Ereignissen ausgeliefert bin, über die ich keine Kontrolle besitze. Aber ich habe gerne Kontrolle. Ich möchte gerne wissen, was auf mich zukommt und ich möchte gerne bestimmen, was passiert.

Dabei habe ich im Laufe meines Lebens gelernt, dass ich über viel weniger Dinge die Kontrolle habe, als ich denke. Zwei Beispiele: Ich habe fünf Kinder miterzogen. Aber wenn sie erwachsen werden, muss ich sie loslassen. Was aus meinen Kindern wird, das liegt nicht in meiner Hand. Oder auch der nächste Tag. Ich kann noch so viel planen, was ich morgen alles tun will, doch manchmal verläuft der Tag ganz anders, als ich das gedacht habe. Ich habe lange gebraucht, zu begreifen, dass ich über die meisten Dinge keine Kontrolle habe.

Dazu passt ein Satz aus der Bibel im Buch des Propheten Jesaja.  „Meine Gedanken sind nicht eure Gedanken, und eure Wege sind nicht meine Wege, spricht Gott. So hoch der Himmel über der Erde ist, sind meine Gedanken über euren und meine Wege über euren Wegen.“ (Jes.55,8-9)

Da steht es schwarz auf weiß. Welche Wege ich im Leben gehe, das bestimmt Gott. Und seine Wege mit mir können ganz anders sein, als ich mir das vorstelle. Es kann sein, dass ich nicht begreife, was Gott tut, und was er sich dabei denkt. Aber er hat mehr Überblick über mein Leben als ich. Das finde ich ermutigend.

Was mache ich also jetzt? Ärgerlich werden, wenn es wieder nicht so funktioniert, wie ich das gedacht hatte? Die andere Möglichkeit wäre, dass ich einsehe, dass ich die Dinge nicht unter Kontrolle habe. Aber ich vertraue Gott, dass er den Überblick behält. Ich glaube: Er lässt mich nicht allein und weiß, was er tut.  Ich gebe zu: An diesem Vertrauen übe ich jeden Tag. Und manchmal ärgere ich mich trotzdem, wenn etwas nicht klappt, wie gedacht.

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