SWR2 Wort zum Tag

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19OKT2020
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An Schnitt- und Wendepunkten des Lebens tun wegweisende Worte gut. Auch der Übergang in eine neue berufliche Aufgabe ist ein solcher Wendepunkt. Vor kurzem wurde ich in ein neues Arbeitsfeld als Pfarrer eingesetzt. Im Rahmen des Gottesdienstes zur Einführung erhielt ich ein Segenswort zugesprochen, den Psalmvers: „Gott spricht: Ich will dich mit meinen Augen leiten.“

Mich hat es berührt und es ist mir nachgegangen. Die unmittelbare Bedeutung dieses Verses liegt ja auf der Hand. Man kann es sich ganz praktisch vorstellen, wie bei einem Berg- oder Wanderführer. Wenn der sagt: „Ich werde dich bei unserer Unternehmung mit meinen Augen leiten“, dann kann ich mich sicher fühlen. Ich weiß, er wird die Orientierung unseres Wegverlaufes übernehmen. Ich vertraue auch darauf, dass mein Begleiter in schwierigem Gelände genau hinschauen wird, wie meine Füße sicheren Tritt fassen.

Im übertragenen Sinn kann ich das auf die Lebensbegleitung Gottes anwenden: Er wird mir nahe sein und mich orientieren auf meinem Weg – auch im unbekannten Gelände neuer beruflicher Aufgaben.

Doch der Psalmvers hat mich noch zu anderen Überlegungen veranlasst. Wenn Gott sagt: „Ich will dich mit meinen Augen leiten“, dann liegt es nahe zu fragen, was Gott mit seinen Augen sieht. Eine spannende Frage! Mir fällt auf Anhieb manches dazu ein:

Gottes Augen sehen zum Beispiel – so heißt es am Anfang der Bibel – die Wunder und Schönheiten der Schöpfung. Gott sah, was er gemacht hatte, und siehe: es war sehr gut.

Oder ich erinnere mich an eine Geschichte aus der Bibel, in der eine von ihrem Mann verstoßene Frau mit ihrem Sohn in der Wüste beinahe umkommt. Am Ende wird sie dennoch gerettet und lobt Gott mit einem neuen Namen: „Du bist ein Gott, der mich und meine Not gesehen (und gewendet) hat.“ Hier rückt die Bibel mit Gottes geschärften Augen ein Opfer männlicher Gewalt in den Blick. Wer seine Augen davon leiten lässt, kann nicht einfach wegsehen.

Wenn Gott mir zuspricht: „Ich will dich mit meinen Augen leiten“, dann bedeutet das wohl auch: „Ich will dir die Augen öffnen für das, was ich sehe.“ Und damit durchs Leben zu gehen, weitet nicht nur den Blick, sondern auch das Herz.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=31859
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