SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

16OKT2020
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

In den letzten beiden Tagen sind mir zweimal Kinder aufgefallen, die fremden Leuten zuwinken. Gestern ein kleiner Knirps, der aus dem Babysitz am Fahrrad seines Vaters allen Leuten auf der Straße zugewinkt hat. Und heute zwei Mädchen im Auto auf dem Rücksitz, die in der Autokolonne dem Gegenverkehr zugewinkt haben. Und beide Male konnte ich dasselbe beobachten. Die Gesichter der Erwachsenen, die das sehen, werden fröhlicher und sie winken fröhlich zurück. Und die Kinder freuen sich riesig über diese kleine Geste. Bei den Erwachsenen kommt es mir vor, als ob sie sich für einen kurzen Moment an ein Gefühl aus der Kindheit erinnern. Und ich vermute, dass es dabei nicht nur um ein Kinderspiel geht, sondern um ein grundmenschliches Bedürfnis. Denn hinter dem Winke-Winke steht ja die Botschaft: Hallo, ich bin da. Es gibt mich. Und die Gegenreaktion sagt dann/bedeutet: Hallo, ich sehe Dich und ich freue mich, dass Du bist!

Gute Pädagogen wissen: Alles was Kinder brauchen, ist das Gefühl gewollt und erwartet zu sein. Und als Lehrer weiß ich ja aus der täglichen Erfahrung, dass das stimmt. Viel wichtiger als der Lehrstoff, den ich unterrichte, ist, wenn ich es schaffe, dass meine Schüler diese Botschaft bekommen und spüren, dass ich sie als Persönlichkeit ernst nehme.

Ich als Erwachsener brauche das auch! Viel zu oft ist es unausgesprochen, auch in der Familie und bei meinen Freunden: Ich freue mich, dass es Dich gibt!

Für mich als Christ ist das ein wesentlicher Satz des Glaubens. Es tut mir gut, wenn andere Menschen mir zeigen, dass sie sich freuen, dass es mich gibt. Diese Freude springt dabei auf mich über und stärkt das Gute in mir. Aber ich glaube auch, dass Gott sich ebenso an mir freut. Er hat mich als sein Ebenbild geschaffen. Und ich kann sein Werkzeug sein, wenn ich anderen zeige, dass sie für ihn genauso ein Grund zur Freude sind.

Auch wenn es mir manchmal im ersten Moment kindisch vorkommt und mich als Erwachsener eine kleine Überwindung kostet, reagiere ich deshalb gern auf das Winke-Winke der Kinder. Und es gibt ja auch noch andere Wege, wie ich anderen Menschen zeigen kann, dass ich sie so stärken will. Wenn ich einen Schüler nicht nur im Small talk frage: Alles okay bei Dir? Sondern wenn ich interessiert hinhöre, wenn ein Schüler erzählt, wie es ihm gerade geht. Oder schlicht und einfach, wenn ich jemandem bei der Begrüßung oder zum Abschied direkt sage: Es ist gut, dass Du da bist.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=31858
weiterlesen...