SWR4 Abendgedanken

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14OKT2020
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Echte Freundschaften sind etwas Kostbares.

Als Erwachsener staune ich immer wieder, was so eine echte Freundschaft aushält. Vor allem, weil sie bestehen kann, auch wenn ich mal mehrere Monate keinen Kontakt zu meinen Freunden habe.

Ich habe ein Freundespaar aus der Schulzeit. Sie sind schon damals zusammen gekommen, haben geheiratet und inzwischen Kinder, die gerade erwachsen werden. Meistens treffen wir uns nur einmal im Jahr. Allein schon, weil wir an verschiedenen Orten leben, weit voneinander entfernt. Aber das Schöne ist, dass wir dann direkt da anknüpfen können, wo wir bei unserer letzten Begegnung aufgehört haben. Ich merke das meistens schon bei der Begrüßung, dass unsere Verbindung noch besteht. Keiner sagt da zum anderen: Warum meldest Du Dich so selten? Für uns überwiegt die Freude, dass wir uns wiedersehen.

Ich vermute, das funktioniert, weil wir uns füreinander interessieren und dabei das Wohl des anderen wollen. Wenn wir zusammensitzen, erzählt jeder von uns, was los war in der letzten Zeit. Wenn ich höre, wie schwierig es für die Kleinste in der Familie war, in der Corona-Zeit zuhause zu sein oder wie die ganze Familie bei den Abschlussprüfungen der ältesten Tochter mitgefiebert hat, bin ich selbst so eng dabei als ob ich es unmittelbar miterlebt hätte. Erst recht ist das so, wenn ich von der schweren Krankheit höre, die meine Freundin durchgemacht hat.

Es geht eben nicht nur darum, dass wir uns auf den Stand bringen, sondern dass wir Anteil am Leben der anderen nehmen. Und ich will dabei vor allem, dass es meinen Freunden gut geht, dass sie glücklich sind, dass die Familie intakt ist und dass sie gesund sind. Und umgekehrt genauso: Wenn ich erzähle, welche Herausforderungen ich im Beruf angepackt habe und spüre, wieviel Kraft es mich gekostet hat, bekomme ich plötzlich Kraft, weil sie mitfühlen und voller Anerkennung sagen, dass ich da was geleistet habe.

Jeder von uns will das Wohl des anderen. Und weil das gegenseitig gilt, kann ich auch mein eigenes Wohl und meine Erwartungen hinten anstellen. Ich weiß, bei meinen Freunden werde ich nie zu kurz kommen. Es ist doch eine grandiose Sache, dass wir Menschen zu so etwas fähig sind: Zu Freundschaften, bei denen es etwas Tieferes gibt, was uns miteinander verbindet, nämlich, dass jeder am Wohl des anderen interessiert ist

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