SWR1 Begegnungen

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11OKT2020
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Peter Annweiler trifft André Borsche, Plastischer Chirurg und Operateur in Krisengebieten

Teil 1: Arzt mit Herz

In seinem Alltag wirkt der Chefarzt als plastischer Chirurg im Diakoniekrankenhaus Bad Kreuznach. Und als Vorsitzender des Vereins „Interplast“ ist er weltweit unterwegs. Da wirkt er ehrenamtlich in Krisengebieten und Entwicklungsländern. Es sind besondere Eingriffe, wenn der 65jährige mit seinem Team Menschen operiert: Opfer von Verbrennungen, Patienten nach Tretminenunfällen oder Kinder mit angeborenen Fehlbildungen:

Eine junge Familie, die sich riesig über das Kind gefreut hat – aber das Kind ist mit einer Kiefergaumenspalte geboren, eine klaffende Spalte in der Lippe – ansonsten kerngesund und munter – und sie waren ganz verzweifelt, weil sie dachten: Das ist eine Gottesstrafe– und ich sag mal aus meiner Perspektive, wie man mit relativ wenig Aufwand – ein, zwei Stunden Operation mit Lupe und  feinen Fäden und Sie zaubern praktisch die Lippe wieder hin – und dann dieses Kind den Eltern in die Arme wieder geben.

Für diese Momente lebt André Borsche. Seine Augen leuchten, wenn er davon erzählt. Schon 30 Jahre erfüllt ihn seine ärztliche und menschliche Mission. Vielfach wurde er dafür ausgezeichnet. Eben weil er sein Können nicht für sich behält, sondern in Afrika, Südamerika und Indien unentgeltlich hilft.

Ich denke zum Beispiel an die vielen Begegnungen mit Mutter Theresa, wo wir gesehen haben, dass eine wirklich sehr kleine, aber ganz strukturierte Frau gesagt hat: „Herr Borsche, ich freue mich, dass Sie gekommen sind – ich hab‘ sie praktisch schon erwartet (Weiß der Kuckuck woher, lacht). Ich habe zwölf Kinder für Sie vorbereitet, die Sie mir bitte in zwei Wochen gesund und munter operiert wiederbringen.-  Und mir blieb nur übrig, zu sagen: „Aye, aye, Madam – Ihr Auftrag ist mein Befehl“ – und genauso hat’s geklappt Das war einfach faszinierend.

André Borsche verzichtet für seine Einsätze oft auf seinen Urlaub. Er setzt sich großem Elend und heftigem Stress aus – und kommt doch zurück als einer, der mehr empfängt als er gibt.

Das Zurückkommen zeigt mir immer wieder, wie sehr die innere Batterie jetzt positiv aufgeladen ist. Das heißt: Ich bin sicherlich erschöpft, hab‘ wenig geschlafen, bin bisschen durchgedreht, aber ich bin innerlich so, so erfüllt.

Erfüllt ist er – und nicht ausgebrannt. Das Bibelwort „Geben ist seliger als Nehmen“ fällt mir im Gespräch mit diesem fröhlichen Helfer ein. Und der bleibt womöglich besonders fröhlich, weil er nicht alles als eigene Leistung sieht.

Und natürlich passiert es durch meine Hände, aber es passiert ja letztlich auch durch ne göttliche Fügung, dass so was möglich ist. Da dürfen wir uns nicht zu viel einbilden, dass wir da die Heilsbringer sind.

Der Protestant André Borsche ist überzeugt: Er ist „Werkzeug“. Durch ihn wirkt auch ein menschenfreundlicher Gott. Und der ermöglicht, die eigenen Talente zum Wohl anderer wirken zu lassen.

Teil 2: Botschafter der Menschlichkeit

André Borsche ist Chefarzt für plastische Chirurgie in Bad Kreuznach. Mit seinen Operationen schenkt der gebürtige Berliner Patienten ein neues Aus-sehen und gibt ihnen damit ein neues An-sehen. Als Vorsitzender des Vereins „Interplast“ führt er weltweite Hilfseinsätze durch. Dabei hat sich sein Blick auf Deutschland sehr verändert.

Wir leben  ja doch in einer schon relativ verwöhnten Welt, sind gut abgesichert in vielerlei Hinsicht und haben auf viele Dinge, auch auf Gesundheit,  einen gewissen Anspruch, denken wir mal … In diesem Bewusstsein leben wir – leider (schmunzelt)

Dieser Anspruch verstellt wohl den Blick darauf, wie erfüllend es sein kann, Menschen in großer Armut zu helfen. Unentgeltlich tut der 65jährige Arzt  das  - und staunt, wie wenig sein Wirken an politische oder religiöse Grenzen gebunden ist.

Man spricht deren Sprache nicht, aber die Augen leuchten, die Kinder lachen, man spielt mit denen und in diesem spielerischen Umfeld geschieht jedes Mal etwas ganz Besonderes, … das man nicht mit Worten fassen kann - das ist eine Lebenserfahrung, die möchte ich keinen Moment missen.

Für André Borsche kommt es zuerst auf diese bereichernde Menschlichkeit an. Sie ist für ihn im Christentum gegründet. 

Ich habe tatsächlich einige Erlebnisse, wo ich gemerkt habe: Jetzt bin ich gefordert, hier was zu zeigen – und zwar im christlichen Sinne. Ich denke an einen der ersten Einsätze in Guinea in Westafrika, wo wir sehr nett mit den Ärzten und Schwestern vor Ort in Kontakt waren – und dann war ein Junge der eben auch ne ganz schwere Verletzung im Gesicht hatte – und der in der Straße als „daneben lebender Mensch“ noch geduldet wurde. Wir waren alle dann beseelt von dieser Idee: Jetzt wollen wir auch dem, der normalerweise gar keine Chance hätte, richtig helfen, selbst wenn die sagen „Die spinnen – die haben ihren humanitären Aspekt so in den Vordergrund gestellt!“

Denen helfen, die keine Chance haben - und damit den „humanitären Aspekt“ stärken. Auch, wenn andere darüber den Kopf schütteln:  Das ist eine unaufgebbare Konsequenz des christlichen Glaubens – und „eigentlich“ eine große Verpflichtung für Europa, das so stolz auf seine christlichen Wurzeln ist. André Borsche:

Ich hab auch meine große Sorge, dass im Moment unsere Gesellschaft so mit diesen ökonomischen Problemen so überlastet ist, dass wir uns in eine Denkweise hineinbegeben, wo so inhaltliche und ethische  Werte zunehmend verloren gehen.

Als Arzt wusste er schon längst vor Corona, was verloren geht, wenn Krankenhäuser Geld verdienen müssen: nämlich das Ethos des Teilens und eine Nähe zu denen, die nichts haben. Das Besondere an André Borsche ist, dass er dieses Ethos lokal und global mit einer ansteckenden Fröhlichkeit lebt. Für mich ist er ein sympathischer „Weltverbesserer“: Fröhlich kann es so einfach sein, die Welt zu gestalten.

Ich versuche eben fröhliches Auftreten und mein persönliches Lebensglück mit andern Menschen zu teilen und wenn das zum Selbstläufer wird und die dann wieder andere fröhlich machen, dann hat es geklappt.

 

Informationen zum Verein Interplast:
www.interplast-germany.de

https://www.kirche-im-swr.de/?m=31830
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