SWR2 Wort zum Tag

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02OKT2020
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Kennen Sie die „Jerusalema Challenge“? Es ist der Tanz, der in diesem Jahr vielen Leuten durch die Corona-Zeit geholfen und der Afro Beats, die aktuelle afrikanische Tanzmusik auf dem ganzen Globus bekannt gemacht hat. Der Song hat Hoffnung aus Afrika in die Welt gebracht – wo es doch in den Köpfen vieler Menschen meist so ist, dass sie aus Afrika das Gegenteil von Hoffnung erwarten.

Der junge südafrikanische Künstler Master KG hat im Text seines überraschenden Superhits um den Schutz und die Führung Gottes gebeten und hat damit wohl weltweit unzählige seelische Saiten zum Klingen gebracht, - gerade in diesen Corona-Zeiten. Die Sängerin Nomcebo Zikode sagt, dass mit Jerusalem ein spiritueller Ort gemeint sei, "an dem man Frieden findet, an dem es keine Sorgen, sondern nur Glück und fröhliche Menschen gibt." Das Besondere dabei ist, dass der Song eine globale Dance Challenge ausgelöst hat. Der dazugehörige Gruppentanz wird von allen erdenklichen Gruppen getanzt, weltweit mit den gleichen Bewegungen und sogar mit dem angemessenen Abstand. Kürzlich in meiner Nachbarschaft bei einer Gartenparty zum Beispiel, in Italien bei Marinesoldaten und auch bei einer Kommunität von Ordensschwestern und Mönchen. Schwedische Ärzte und Krankenschwestern tanzen dazu, Sportler in China und Bauarbeiter in Österreich – auf Schulhöfen, Feuerwachen, vor Kirchen und Supermärkten.

Eine nach den Weltkriegen aufgebaute globale Solidarität droht heute immer mehr in nationale Interessen und regionale Identitäten zu zerfallen. Da ist es mehr als erfrischend, wenn Schwarz und Weiß, Alt und Jung, Arm und Reich zur gleichen Melodie tanzen und dies jeweils an ihren Lebensorten und in ihrer typischen Kleidung tun. Wir brauchen mehr von dieser Solidarität im Tanzen.

Vor einigen Jahren verboten religiöse Fanatiker im afrikanischen Mali das Tanzen. Damals wurde die berühmte Stadt Timbuktu eine Zeitlang von der Islamistengruppe Ansar Dine beherrscht. Als diese wieder vertrieben war, fand nach langer Zeit vor der berühmten Moschee wieder ein Konzert statt. Und eine Frau, die von den Milizen brutal behandelt und eingesperrt worden war, stand auf und tat das afrikanischste, was ich mir vorstellen kann: sie schwang ihre Hüften zum Takt und zeigte ihre Freiheit und ihre Freude im Tanz. Mir kamen die Tränen.

Afrika, Lebensfreude und Tanzen gehören zusammen. Und das ist mehr als ein Stereotyp. Wenn daraus globale Solidarität wird ist das für mich ein Stück Himmel auf Erden.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=31805
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