SWR2 Wort zum Tag

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„Wer sagt denn, dass Erwachsene keinen Trost brauchen? Erwachsene sind auch nicht immer so stark...“
Die Sängerin der norwegischen Popgruppe Ai Phoenix hat das in einem Interview gesagt. Ein wenig klang das nach Verteidigung oder Entschuldigung. Muss man sich verteidigen oder entschuldigen, habe ich mich gefragt, wenn man meint, dass auch Erwachsene Trost brauchen? In der coolen Welt der Popmusik anscheinend schon. „Warum klingen Ihre Songs manchmal so nach Kinderlied.“ hatte der Interviewer die Sängerin kritisch gefragt. Und darauf hat sie dann geantwortet: "Der Vergleich mit Kinderliedern ist gar nicht so schlecht. Denn Kinderlieder sind doch dazu da, zu beruhigen und zu trösten. Und wer sagt, dass Erwachsene keinen Trost brauchen.“
Und wenn wir sagen, dass Erwachsene Trost brauchen, geben wir auch Trost, wenn er gebraucht wird?
Dass Kinder Trost brauchen, ist uns selbstverständlich. Wenn der Bauch schmerzt oder das Knie blutet, dann hilft nicht nur Medizin. Da setzt man sich ans Bett, redet gut zu, lässt das Kind spüren, dass man da ist. Einem Kind gesteht man selbstverständlich zu, dass es nicht allein klar kommen muss. Gemeinsam bringt man die Welt wieder ins Lot. Bis der kleine Mensch seine innere Fassung wieder hat.
„Trösten“ ist ein schönes, altes Wort. „Trösten“ heißt es im Wörterbuch, ist von seiner Wurzel her verwandt mit dem Wort „treu“. Und meint so etwas wie „innerlich fest sein“. Trösten bedeutet also, zum anderen stehen, damit der seine innere Festigkeit wieder findet. Wenn der erschüttert ist, oder unter einer Last ein zu knicken droht.
Wie gesagt, dass Kinder Trost brauchen, ist uns selbstverständlich. Aber wenn ein Erwachsener erschüttert ist, dann beschwichtigen wir lieber oder ermahnen. „Reiß Dich zusammen, stell Dich nicht so an, hilf Dir mit Arbeit, unternimm was Schönes, das Dich ablenkt.“ Aber Appelle zur Selbstdisziplin trösten nicht. Wenn ich trösten möchte, muss ich dem andern nah kommen. Mitfühlen. Bei einem Appell bleib ich fern. Überlasse den anderen sich selber.
Vielleicht geizen wir auch deshalb mit Trost, weil trösten Kraft kostet. Aber oft hilft dem anderen nur Trost. Damit er seine innere Festigkeit wieder findet und wieder ins Gleichgewicht kommen kann.
Auch Erwachsene brauchen Trost. Die Bibel macht was den Trostbedarf angeht keinen Unterschied zwischen klein und groß. „Ich will euch trösten wie einen seine Mutter tröstet“ verspricht Gott. Er geizt nicht mit Trost, er verschwendet ihn.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=3180
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