SWR3 Gedanken

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02OKT2020
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„Heute beginnt der Rest deines Lebens“ schallt es aus dem Autoradio. Ich komme gerade von einer Konferenz zurück. In Gedanken hänge ich den Gesprächen dort nach. Mit dem alten Udo-Jürgens-Song hab ich in diesem Moment überhaupt nicht gerechnet. 25 Jahre alt ist er inzwischen. Als er rauskam war ich Mitte 30 und völlig sicher, dass da noch ganz viel Leben vor mir liegt. Doch jetzt, mit inzwischen fast 60? Der verbliebene Lebensrest, so viel ist klar, ist jedenfalls spürbar kleiner geworden. Ich merke, das Lied trifft mich an einem sensiblen Punkt.

Der Rest meines Lebens. Genau genommen könnte das vielleicht nur noch der Tag morgen sein, doch wenn es gut läuft auch noch zwei oder drei Jahrzehnte. Es könnte heißen: Fit und agil bis ins hohe Alter zu bleiben. Aber eben auch, in ein paar Jahren vielleicht schon gebrechlich, dement und hilfsbedürftig zu sein. Tatsache ist: Ich weiß es schlicht nicht. Ich weiß nur: Der Rest meines Lebens ist vor allem eines: ein großes, weitgehend unbeschriebenes Blatt. Damit dieser Rest möglichst gut für mich wird, kann ich selber etwas tun: Gesund leben, Kontakte pflegen. Schon jetzt an die Zeit denken, wenn ich keinen Beruf mehr, aber dafür ganz viel freie Zeit habe. Und doch ist das alles nur die halbe Wahrheit. Die andere Hälfte ist - ja was eigentlich? Glück, Schicksal, eine ominöse Vorsehung? Sicher ist nur: Sie liegt nicht in meiner Hand. Als Christ hoffe ich aber, dass es da einen Gott gibt, der ebenfalls ein Auge auf mich hat. Der mich durch diese andere Hälfte vom Rest meines Lebens begleitet. Was immer auch kommt.

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