SWR3 Gedanken

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27SEP2020
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Der Baum in meinem Garten ist dieses Jahr voll von dicken, reifen Äpfeln. Dumm ist nur, dass nicht nur ich mich darüber freue, sondern auch ein paar Mitbewohner in meinem Garten. Vögel, die daran herumpicken und jede Menge Wespen. Die machen sich über die beschädigten und teils schon angefaulten Äpfel her. Das nervt.

Klar, ich könnte mir die Mühe machen, die hungrigen Mitbewohner so gut es geht von meinem Baum zu vertreiben. Aber zum einen würde das sowieso kaum klappen. Zum anderen sind die Äpfel für mich ja eine Art Gratiszugabe. Sie wachsen da einfach ohne mein Zutun. Und zu meinem Glück brauche ich sie auch nicht zu meinem Lebensunterhalt. Hab ich deswegen also mehr Ansprüche darauf als die Vögel, die sich darüber hermachen? Eigentlich nicht.

Mein voller Apfelbaum ist für mich darum ein Bild, das zeigt, was gerade schief läuft bei uns. Denn wenn der Mensch sich breitmacht und alle, die ihn stören verjagt, totspritzt oder aussperrt, dann geht das eben nicht lange gut. Dass inzwischen drei Viertel der Insekten verschwunden sind und auch immer weniger Vögel in unseren Gärten leben, kommt ja nicht von ungefähr. Leben geht auf Dauer nur mit der Natur und nicht gegen sie. Denn Leben heißt nicht, sich um jeden Preis durchzusetzen, sondern sich miteinander zu arrangieren. Heißt Geben und Nehmen. Anders klappt es nicht.

Und auch wenn mich jeder angefressene Apfel nervt. Ich freue mich auch über die, die ich jetzt trotzdem unversehrt und unverdient ernte. Und die paar, die es nun weniger sind, gönne ich den Vögeln und Insekten - wenn sie dafür auch nächstes Jahr wieder meinen Garten bevölkern.

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