Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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18SEP2020
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„Was ist ihr Geheimnis?“ Das frage ich mich, wenn ich Paare sehe, die sind schon ein halbes Jahrhundert zusammen, und lieben sich immer noch. Irgend etwas müssen die doch besonders richtig gemacht haben, oder...?

Ich frage das auch, wenn mich alte Ehepaare um den kirchlichen Segen bitten, für ihre goldene Hochzeit: „Was ist ihr Geheimnis?“

Eine Frau hat geantwortet: „Also: Erst einmal hatten wir jede Menge Glück! Und da braucht man sich gar nichts drauf einzubilden. Es ist schon ein Riesenglück, wenn man den richtigen Menschen trifft, der auch auf Dauer zu einem passt.

Und: man muss natürlich auch ein bisschen was dafür tun. Ich weiß noch: Als wir jung waren, habe wir viel gestritten. Ich war unzufrieden mit der Rollenaufteilung. Und habe meinem Mann oft vorgehalten, was ich alles für die Familie tue; und welche Opfer ich bringe. Aber ich habe lange nur die halbe Wahrheit gesehen: Nur mich und meine Erwartungen.

Was ich nicht gesehen habe war, was er - neben der Arbeit - noch alles eingebracht hat. Sicher, es war nicht unbedingt das, was ich gerade wollte. Und er hat auch nicht viel in Sachen Haushalt übernommen. Aber er hat den Papierkram erledigt und die Steuererklärung; hat den Handwerkern hinterher telefoniert; das Auto zum TÜV gefahren; hat Einkäufe erledigt und die Sprudelkisten in den Keller getragen.... Solche Dinge, eben. Und alles ohne große Worte.

Als mir das klargeworden ist, ist alles viel entspannter zwischen uns zugegangen. Denn plötzlich hatten wir die Last des anderen im Blick.“

Die Last des anderen im Blick haben... – Ja, ich glaube, das ist ein ganz ent-scheidender Punkt. Aber es funktioniert natürlich nur, wenn beide mitmachen; wenn man sozusagen darum wetteifert, den anderen zu entlasten und ihm Gutes zu tun. - Nur: Wie kriegt man das hin?

Vermutlich muss einer damit anfangen. So wie die Frau. Sie hat mal die kritische Brille abgelegt und ihren Mann aus wohlwollenden Augen betrachtet. Und plötzlich hat sie die Dinge anders gesehen. Manchmal genügt das schon, damit sich etwas verändert.

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