Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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Viele meinen, ein richtiges und anständiges Leben, das kommt ohne Brüche daher.
Da baut man sich nach und nach eine Existenz auf und genießt die dann im Kreis der Enkel
und Urenkel im Alter. Alles andere ist eben- misslungen.

Dass das zu kurz gedacht ist, erzählt uns die Bibel.
Denn Paulus ist ein Mensch, durch dessen Leben sich ein tiefer Bruch zieht.
Zuerst hat er die Christen verfolgt. Dann wurde er selber Christ.
Was er dabei fühlte und dachte, was ihn bewegte, das wissen wir ziemlich genau.
Denn Paulus war ein eifriger Briefeschreiber. 13 Briefe finden wir von ihm in der Bibel.

Immer wieder schreibt er darin ganz offen von sich und seinen beiden Lebenshälften.
Über die Zeit direkt nach seiner Bekehrung äußert er sich allerdings sehr zurückhaltend.
Da gibt es nur eine ganz kurze Notiz: Er war ein, zwei oder drei Jahre in der arabischen Wüste.
So genau weiß man das nicht.
Ich kann die Zurückhaltung des Paulus gut verstehen.
Ich kenne das Gefühl, wenn das eigene Leben total auf dem Kopf steht.
Bei Paulus kommt hinzu, dass alles, was ihm zeitlebens wichtig war,
nach dem Bruch nicht mehr zählt. Er nennt es „Dreck“.
Freund und Feind haben die Plätze getauscht.
Kurzum, in seinem Lebenshaus ist kein Stein auf dem anderen geblieben.
Das bekommt kein Mensch von jetzt auf gleich auf die Reihe.
Das geht beim besten Willen nicht einfach nebenher.
Es braucht viel Zeit und Kraft, um sich in die neue Lebenssituation einzufinden.
Paulus hat sich diese Zeit genommen. Das war bestimmt nicht einfach,
sich so aus allen Verpflichtungen und Beziehungen herauszulösen.
Eine Auszeit in der Wüste, nur für sich, das war für ihn jedoch lebensnotwendig.
Denn in so einer Lage hat man viel mit sich und seinem Gott abzumachen.
Geht es doch darum, wieder Vertrauen zu finden
und Mut und Lust auf dieses beängstigend neue, so ganz andere Leben.

Wie gehen wir heute um mit denen,
die wie Paulus mit einem tiefen Bruch in ihrem Leben fertig werden müssen? Hoffentlich gnädig. Denn all die wunderbaren Briefe des Paulus und viele andere große Kunstwerke
sind doch im Grunde Früchte einer gnädig überstandenen Wüstenzeit.
Einer Zeit, in der Gott trotz allem und in allem da geblieben ist.
Als derselbe im ersten und im zweiten Leben.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=3164
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