SWR4 Abendgedanken

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18SEP2020
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Morgen ist der 19. September. Vor genau sieben Monaten, am 19. Februar, hat ein Mann im hessischen Hanau neun Menschen ermordet. Dann hat er sich selbst und seine Mutter getötet. In den Medien ist am Anfang von einer „fremdenfeindlichen“ oder „ausländerfeindlichen“ Motivation die Rede gewesen. Später haben die meisten Medien korrigiert und den Hintergrund der Tat als „rassistisch“ eingestuft. Ich habe das zwar wahrgenommen, aber ich habe mir keine großen Gedanken gemacht über den Unterschied der Begriffe. Was bei mir hängen geblieben ist: die Namen der Opfer klingen in meinen Ohren alle „ausländisch“. Jetzt bin ich genau darüber erschrocken.

Armin Kurtović hat seinen Sohn bei dem Anschlag verloren. Er hat im Gespräch mit der Lokalzeitung in Hanau Rassismus und eine falsche Zuordnung angeprangert. Bei Behörden und bei den Medien. Was er damit meint, wird am Beispiel seines Sohnes deutlich. Der Obduktionsbericht beschreibt das Aussehen von Hamza Kurtović als „südländisch orientalisch“. Seltsam. Denn der 22-jährige war dunkelblond, blauäugig und hellhäutig. Vater Armin sagt: „Der Bericht hat den Namen meines Sohnes beschrieben. Aber nicht sein Aussehen.“ Er fühle sich als Deutscher ausgegrenzt.

Die Fakten von Hanau lassen ahnen, warum er so empfindet: Die getöteten Frauen und Männer sind keineswegs alle Ausländer gewesen. Im Gegenteil: sechs von ihnen sind in Deutschland geboren, die meisten in Hanau aufgewachsen. Auch Armin und Hamza Kurtović. Sie sind deutsche Staatsbürger. Aber die Medien haben über sie berichtet, als seien sie Fremde. Hamza Kurtović ist in einem Beitrag sogar als „Flüchtling“ bezeichnet worden. Die Frage von Armin Kurtović kann ich deshalb gut verstehen: „Wie lange ist man in Deutschland eigentlich Immigrant?“

Ich glaube, Namen spielen dabei tatsächlich eine große Rolle, leider. Einzige Ausnahme: Prominente Immigranten. Kaum jemand hat Anstoß daran genommen, dass die Fußballnationalspieler Miroslav Klose und Lukas Podolski in Polen geboren sind. Auch Emre Can und Serge Gnabry dürfen mit ihren Namen sehr gerne deutsche Tore schießen.

Ich muss mir selbst eingestehen: wenn ein Name ausländisch klingt oder ein Mitbürger eine dunkle Hautfarbe hat, dann liegt auch mir die Frage auf der Zunge: Woher kommst Du eigentlich? Sogar wenn wir uns wirklich dafür interessieren, woher jemand kommt, und warum er heißt wie er heißt – bei dieser Frage sollten wir uns einer Sache bewusst sein: Wir signalisieren damit: Du bist hier nicht zu Hause. Du musst doch sicher irgendwo anders herkommen. Und das bedeutet: Du und Dein Name passen eigentlich nicht ganz zu dem Bild, das wir uns von einer deutschen Gesellschaft machen.

Wir müssen aufpassen. Rassismus beginnt im eigenen Kopf.

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