SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

10SEP2020
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

Wenn ein Mensch zu Hause stirbt, dann geht oft alles ganz schnell zu. Da wird eine Ärztin herbeigerufen, damit es eine Todesbescheinigung gibt. Ein wenig später kommt schon der Bestatter. Und ehe man sich versieht, wird der Verstorbene aus dem Haus getragen und man schaut dem Leichenwagen hinterher. „Über Wochen und Monate habe ich meinen Mann gepflegt. Am Ende ging alles so schnell. Ich habe nicht einmal richtig Abschied genommen“ - Nicht nur einmal habe ich als Pfarrerin diesen Satz gehört. Das ist schade. Denn es gibt keinen Grund zu solcher Eile, wenn ein Mensch stirbt.

Die Papiere, die Formalien – ja, die braucht es, aber da gibt es viele Menschen, die einem helfen und sich gut auskennen.  Man hat sogar nach dem Gesetz 1 ½ Tage Zeit, einen Bestatter zu beauftragen. Früher hat man einen Verstorbenen oft noch eine Nacht zu Hause behalten. Man hat sich Zeit für den Abschied genommen. Wo es möglich gewesen ist, kamen die Familie und manchmal auch engste Freunde und Nachbarn zusammen. Auf Wunsch ist auch der Pfarrer zu einer Aussegnung ins Haus gekommen.

Bei einer Aussegnung steht man gemeinsam am Totenbett, eine Kerze wird angezündet, der Verstorbene wird gesegnet und es wird gebetet.  In manchen Regionen gibt es das noch heute, an anderen Orten ist diese Tradition leider verloren gegangen. Aber nach meiner Erfahrung tut eine Aussegnung allen Beteiligten gut.

Ich habe dieses Ritual der Aussegnung auch erst als junge Pfarrerin kennengelernt, in meiner Heimat gab es das nicht mehr. Dann hat mich eine über 90jährige Dame per Telefon um die Aussegnung ihres Mannes gebeten. Diese Aussegnung war für sie und für mich berührend. Seitdem werbe ich dafür, in Ruhe von einem Verstorbenen an seinem Totenbett Abschied zu nehmen. Ob mit oder ohne Pfarrer. Eine Aussegnung ist ein bewusst gestalteter und würdevoller Abschied aus den eigenen vier Wänden. Manchmal kommen Kinder dazu, enge Verwandte und Freunde, mit denen man gemeinsam durchs Leben gegangen ist. Es darf geweint werden und manchmal wird auch gelacht, weil man sich gemeinsam an schöne Momente erinnert. Und erst dann wird der Verstorbene bewusst im Beisein aller aus dem Haus getragen. 

https://www.kirche-im-swr.de/?m=31600
weiterlesen...