SWR4 Abendgedanken

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09SEP2020
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In den vergangenen Monaten habe ich öfter mit einer Frau gesprochen: Sie hat einen Menschen, der schwer krank war, versorgt und zu allen Arzt- und Klinikbesuchen begleitet und sich um ihn gesorgt. Über Wochen und Monate für einen Menschen und seine Bedürfnisse da zu sein, ist nicht einfach. Vor allem, wenn man diesen Menschen von ganzem Herzen liebt und mit ihm in einem Haushalt lebt.

Als Angehörige nimmt man sich in seiner eigenen Gefühlswelt dann oft zurück, weil ja der Kranke Mensch im Mittelpunkt stehen soll. Solches Leben gleicht einer Achterbahnfahrt der Gefühle. Da gibt es Tage, an denen es dem Kranken gut geht, er geradezu fröhlich das Leben angeht. Und dann kommen die Momente, an denen nichts mehr geht.

„Freut euch mit den Fröhlichen. Weint mit den Weinenden“ (Röm 12,15) heißt es in der Bibel. Als Angehörige bleibt einem nichts anderes übrig, man sitzt sozusagen im ersten Anhänger der Gefühls-Achterbahn. Das ist eine herausfordernde Aufgabe.

Meiner Erfahrung nach braucht auch ein Angehöriger besondere Aufmerksamkeit in einer Krankheitsphase. Oft geht das unter, denn natürlich gilt die Aufmerksamkeit aller in der Umgebung erst einmal dem kranken Menschen. Der Kranke braucht Fürsorge und Versorgung  – und das in verschiedener Hinsicht: medizinisch, pflegerisch und auf jeden Fall auch emotional. Er braucht Halt und Zuversicht, damit er die Krankheit ertragen und durchstehen kann. Aber auch die, die die Krankheit mit ihm tragen, benötigen Unterstützung. Sie brauchen jemanden, der sie im Blick hat, der sie durch diese Zeit mitträgt, der mit ihnen lacht und weint, der sich ein wenig um sie kümmert. Denn pflegende oder einfach auch „nur“ begleitende Angehörige leisten enorm viel. Und nicht selten verlieren sie sich selbst und ihre eigenen Kräfte aus dem Blick. Da hilft es, wenn ein Freund oder eine Freundin da ist und zeigt, dass er auch an den Angehörigen denkt Das geht übrigens auch ganz gut aus der Ferne. Hier und da ein Telefonat, eine E-Mail, einfach ein kurzer Austausch zum Mitfreuen, Mitweinen oder auch, wenn es sein muss, zum Dampfablassen. Vielleicht kann man auch die Angehörigen in sein Gebet aufnehmen. Das kommt dann dem Kranken auf andere Weise zu Gute.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=31599
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