SWR4 Abendgedanken

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07SEP2020
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Wir sind gerade umgezogen. Für mich sind die ersten Wochen an einem neuen Ort eine spannende Zeit. Denn in dieser lerne ich die neue Stadt mit ihren Menschen kennen. Jede Stadt, jedes Dorf, so meine Erfahrung, tickt ein wenig anders. Darum erkunde ich gerade Stück für Stück den neuen Wohnort. Da ist unser neues Haus und die Straße, in der wir jetzt wohnen – mit einer ungewohnten und eigenen Geräuschkulisse. Da weint ein Kind, da jault ein Hund, wenn er allein ist. Es gibt jede Menge enge Gassen und Plätze zu entdecken. Wir bekommen mit, wann und wo der Markt ist, wann der Müll abgeholt wird, der Postbote ungefähr kommt und wo es die Dinge des täglichen Bedarfs zu kaufen gibt. Und ich lerne auf meinen Wegen jede Menge Menschen kennen, die nun zu meinem Alltag gehören werden: Die Bäckersfrau und den Metzger, die Eisdiele, die Mitarbeiterin in der Apotheke, den Restaurantbesitzer von gegenüber. Die ersten grüßen jetzt, wenn sie mich sehen. Das ist ein schönes Gefühl von Ankommen. Einer unserer Nachbarn hat gesagt: „Ein Haus kann man kaufen, gute Nachbarn nicht. Willkommen, auf gute Nachbarschaft!“  

Das hat mir gut getan, denn wir vermissen unsere alten Nachbarn, schließlich haben wir ein paar Jahre miteinander das Leben geteilt. Wir wussten, dass wir füreinander da sind, ohne es groß auszusprechen. In der Bibel heißt es ja auch: „Behandelt die anderen genauso, wie ihr auch behandelt werden wollt“ (Mt 7.12).

Für mich hat eine gute Nachbarschaft einen hohen Wert. Als Nachbarn weiß man ein wenig umeinander. Es muss gewiss nicht alles sein, aber so die Grundzüge: Ob jemand allein lebt oder mit anderen Menschen zusammen, ob er gerade eher fröhlich oder traurig durchs Leben geht. Und vielleicht, was die Nachbarn gerade bewegt: Die Sorge um das eigene Kind, das Kranksein der Eltern, der Ärger auf der Arbeit. Nachbarn teilen das Leben, ohne einander zu sehr auf die Pelle zu rücken. Wenn es gut geht, teilen sie das Gelungene und Schöne, aber auch das Schwere.

„Auf gute Nachbarschaft“ hat unser Nachbar gesagt. Jetzt weiß ich, dass man auch am neuen Ort füreinander da ist, wenn man einmal Hilfe braucht. So lebt es sich ganz anders – und ich fühle mich in meiner neuen Heimat angekommen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=31597
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