SWR4 Sonntagsgedanken

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06SEP2020
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Der Salierkaiser Konrad II wollte vor fast 1000 Jahren nicht irgendeine Kirche erbauen lassen. Er war auf der Höhe seiner Macht angekommen. Selbst der Papst in Rom hatte sich ihm unterzuordnen. Sein Dombauprojekt war entsprechend gewaltig. Es sollte die größte Kirche der Christenheit werden und alles Bisherige in den Schatten stellen. Bis heute überwältig sein Bau aus roten und gelben Sandsteinquadern.

Schon von weitem sieht man seine Kuppel im Osten und die vier Türme. 134 Meter lang ist das Kirchenschiff. So lang wie eine Autokolonne von ungefähr 30 Personenwagen. Tausende Menschen finden Platz im grandiosen Raum. Wie für die Ewigkeit gebaut steht er am Rheinufer. Der Speyerer Dom.

Seine Bezeichnungen sprechen von Größe: Kaiserdom. Kathedrale. Weltkulturerbe. Für Gott war dem Salierkaiser Konrad nichts groß genug. Wie bescheiden wirkt dagegen ein Wort Jesu, das heute im Katholischen Gottesdienst vorgelesen wird:

Wo zwei oder drei in meinem Namen zusammen sind, da bin ich mitten unter ihnen.

Vielleicht ist das jetzt genau ihre Situation daheim. Am Frühstückstisch. In ihrer Wohnung und eben nicht in einem gewaltigen Kirchenraum. Und selbst wenn Sie jetzt alleine zu Hause sind: mit mir am Radio zusammen sind wir schon zu zweit.

Jesu Wort ist eine Zusage an jeden einzelnen Menschen: Wo auch immer ihr zusammenkommt. Der Raum in dem ihr euch trefft muss nicht groß sein. Zwei, oder drei Menschen reichen. Ich werde dann bei euch sein.

Jesu Aussage von den zwei oder drei in seinem Namen stellt alles auf den Kopf.

Denn was groß daher kommt fasziniert uns Menschen immer schon. Ein volles Fußballstadion etwa. Ausverkaufte Veranstaltungssäle. Die Skyline von Frankfurt mit Wohnraum für tausende Menschen. Gut gefüllte Kirchenbänke. Was haben Menschen gewaltige Bauten errichtet, um mit Gott in Kontakt treten zu können! Pyramiden. Tempelanlagen. Kathedralen und Dome. Doch zum Beten braucht man sie nicht unbedingt. Einen Gottesdienst feiern kann ich auch am Küchentisch. Daheim im Wohnzimmer. Unterwegs beim Wandern. In der noch so kleinen Hütte. Zwei oder drei reichen aus und Gott ist mitten unter ihnen.

Jesus sagt unmissverständlich. Zwei oder drei genügen bei Gott um miteinander Gottesdienst zu feiern. Nicht die Anzahl der Menschen ist entscheidend.

Monat für Monat bringe ich kranken und alten Menschen die Kommunion in ihr Haus. Gerne kämen sie zum Gottesdienst in die Kirche. Aber es geht einfach nicht mehr. Nicht selten schütten sie mir beim Gespräch ihr Herz aus. All das was sie belastet. All die Wunden aus ihrem langen Leben, die immer noch schmerzen. Die lieben Menschen, die sie im Sterben loslassen mussten, nennen sie mir mit Namen. Beim kleinen Gottesdienst dann zu zweit sind wir uns sehr nahe. Ich selbst erfahre und staune, wie mir noch so fremde Menschen verbunden sein können. Ich trage, wenn auch nur für einem Moment ihre Trauer und ihre Sorgen im gemeinsamen Gebet mit. In dem Moment wo meine Möglichkeiten am Ende sind und mir meine Grenzen mehr denn je bewusst werden, stellt sich Gott an unsere Seite. Mitten unter uns.

Der Schweizer Pfarrer und Schriftsteller Kurt Marti meinte einmal:

MENSCH GERNEGROß, gottgerneklein.

Und er hat recht.

MENSCH GERNEGROß.

Größe. Macht. Steinerne Bauten für die Ewigkeit von Menschen errichtet, sind in all ihrer Schönheit auch verführerisch. Menschen, die ihre Macht und ihren Einfluss auf den wie sie sagen, allmächtigen Gott zurückführen, werden leicht größenwahnsinnig.

Und gottgerneklein.

Wer den gewaltigen Dom in Speyer betritt muss ein schweres Portal aus Bronze öffnen. Viele Bilder aus dem Leben Jesu sind darauf zusehen. Immer ist er dort mit nur wenigen Menschen abgebildet. Beim Gespräch mit einer Frau. Im Fischerboot mit zwei Jüngern. Als Kind auf dem Arm seiner Mutter. Unscheinbar und klein.

Wo zwei oder drei in meinem Namen zusammen sind, da bin ich mitten unter ihnen.

Entscheidendes geschieht oft im Kleinen. Jesus selbst ist mir darin Vorbild. In der Beziehung zu Menschen, die mir ihr Herz ausschütten. In einer Begegnung. Einem Gespräch. Im gemeinsamen Gebet, wo wir einander unsere Ohnmacht vor Gott eingestehen. Da lässt sich Gott finden.

Der Dominikaner und Autor Diethard Zils meint:

Zwei oder drei, das ist nicht viel, bestimmt nicht,

wenn der eine blind, der andere taub und ein Dritter lahm ist.

Zwei oder drei,

das ist unendlich mehr als einer allein, bestimmt, 

wenn der eine blind, der andere taub und ein Dritter lahm ist.

Denn der Blinde wird das Ohr für den Tauben,

und der Taube wird das Auge für den Blinden,

und gemeinsam tragen sie den Lahmen,

und so gehen sie alle drei, wohin einer allein nicht kommen kann.

 „Zwei oder drei in meinem Namen“,

das ist deine Hoffnung, Gott, für die Kinder der Menschen,

und überall, wo Menschen, zu zweit oder dritt, ihre Stärke miteinander teilen

und ihre Schwäche gegenseitig tragen, da bist du in ihrer Mitte.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=31596
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