SWR4 Abendgedanken

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31AUG2020
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„Warum kann man es seinen Eltern eigentlich nie recht machen?“ Das fragt mich meine Freundin Natalie am Telefon. Sie hat gerade ihre Freundin Chris bei sich zu Besuch; Chris lebt und arbeitet für gewöhnlich in Brasilien; doch wegen Corona wohnt sie vorübergehend bei Natalie.

Chris hat Stress mit ihren Eltern, denn sie lebt so ganz anders, als sich das ihre Eltern für sie vorgestellt haben. Sie ist fast vierzig, hat keine Kinder, keinen festen Partner, keinen unbefristeten Arbeitsvertrag und dank Corona aktuell nicht mal mehr einen festen Wohnsitz. Aber wenn Natalie von ihrer Freundin spricht, dann erzählt sie mir von einer jungen, starken Frau mit Doktortitel, die jahrelang in Brasilien gelebt und an der Universität gearbeitet hat; und sich nun umorientiert, weil eben Corona ihr bisheriges Leben einfach mal so auf den Kopf gestellt hat. Ich muss zugeben, dass ich großen Respekt davor habe, wie sie in dieser Situation so optimistisch und vor allem flexibel bleibt. Und sowieso: Sowohl Natalie als auch Chris sind für mich immer schon starke Persönlichkeiten, die ihren Weg gehen und für das kämpfen, was ihnen wichtig ist.

Aber warum können das ihre Eltern nicht so sehen? Ja, warum ist es oft so schwer, es den Eltern recht zu machen? Wenn ich an meine eigenen Eltern denke, dann bin ich mir sicher, dass es ihnen gar nicht so wichtig ist, dass ich es ihnen recht mache. Es geht ihnen vielmehr darum, dass sie sich für mich nur das Beste wünschen. Und das aus ihrer Sicht Beste ist eben manchmal nicht das, was ich mir wünsche und gut finde. Es ist nicht einfach, loszulassen. Und es tut wahnsinnig weh, wenn sich die Kinder auf ihrem Weg in die Eigenständigkeit verletzen. Aber genau das ist so wichtig, um ein selbstständiger Mensch zu werden.

Und so macht es Chris eben auch. Sie richtet ihr Leben nicht nach den Wünschen ihrer Eltern aus, sondern gestaltet ihr Leben danach, was ihr wichtig ist. Und da stehen Leidenschaft und Ideale eben über dem, was sicher und „normal“ ist. Und da stehen auch die eigenen Träume über dem, was die Eltern sich für sie vorgestellt haben. Kindern tut es weh, die Eltern zu enttäuschen. Aber manchmal ist der Weg, den sich die Eltern für ihr Kind wünschen eben nicht der richtige. Und den Eltern tut es weh, zu sehen, dass ihr Kind den eigenen Weg geht, besonders wenn sie ihn für falsch halten. Aber am Ende geht es nicht darum, ob Kinder es ihren Eltern recht machen, sondern wie sehr sie zu dem stehen, was für sie das Richtige ist. Und das spüren dann – bestenfalls  - auch die Eltern.

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