SWR3 Gedanken

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05SEP2020
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„Nicht alle Engel tragen Kleidergröße 38.“ Der Satz steht in einem Fenster in unserem Dorf. Und daneben ist ein dicker Engel aufgestellt. So einer mit schönen Kurven um die Hüften, vollschlank könnte man sagen. Ich stehe vor dem Fenster und sehe gleich, dass dieser Engel und das Schild selbstgemacht sind. Aus Pappmaché wahrscheinlich, in lauter Orange- und Rottönen angemalt.

Ich kenne das Haus schon. Dieses eine Fenster zur Straße hin ist immer irgendwie besonders gestaltet. Was die Bewohner damit wohl sagen wollen - mit diesem: „Nicht alle Engel tragen Kleidergröße 38“? Ich höre da eine Botschaft raus an alle, die meinen, dass sie ihren ganzen Ehrgeiz reinhängen müssen, damit sie möglichst schlank und körperlich perfekt sind.

Was machen „Engel“ eigentlich aus? Sie können andere beschützen oder jemanden in  einer brenzligen Situation retten. Auf jeden Fall haben Engel viel positive Energie und lassen nicht locker, damit es anderen gut geht. Und dabei spielen Problemzonen oder zwei, drei Kilos zu viel gar keine Rolle. Wichtig bei Engeln ist nur, dass sie Zeit für andere haben und Nerven und zur richtigen Zeit am richtigen Ort sind.

Ich weiß nicht hundertprozentig, was die Leute, die das Schild und die Figur aufgestellt haben, damit sagen möchten. Aber mir fällt dazu ein: wer nur damit beschäftigt ist, möglichst perfekt zu sein, mit perfektem Körper und perfektem Leben, der hat wahrscheinlich wenig Zeit und Energie für anderes übrig. Ich hoffe, dass so jemand Perfektes mal einen „Engel“ trifft, der ihm klar macht: „Kleidergrößen sind zweitrangig. Dein Leben muss nicht perfekt sein. Schau nicht nur auf dich, sondern auch mal nach links und rechts. Das macht dein Leben auch schön.“

https://www.kirche-im-swr.de/?m=31590
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