SWR3 Gedanken

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02SEP2020
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Hände sind was Tolles. Sie sehen ganz unterschiedlich aus und sagen viel über einen Menschen. Meine Freundin ist Pianistin, sie hat ganz kraftvolle und trotzdem filigrane Hände. Die Hände sind ihr Beruf. Oder Mein Nachbar: der hat richtige Arbeitshände. Die sind groß und von der vielen Arbeit in der Landwirtschaft verschrammt und oft dreckig. Diesen Händen sieht man an: der Mann hat schon viel gearbeitet.

Und noch was habe ich beobachtet:
Neugeborene ballen ihre Hände zu kleinen Fäustchen, so viel Spannung steckt in ihnen. Diese winzigen Hände könnten sagen: „Ich will kämpfen, ich will im Leben alles erreichen. Ich boxe mich durch.“ Und wie sehen dagegen die Hände am Ende des Lebens aus, wenn ein Mensch stirbt? Da löst sich die Verkrampfung irgendwann und die Hände öffnen sich, als ob sie sagen wollten: „Ich habe genug gekämpft. Jetzt lasse ich los. Ich warte nur noch was kommt.“

Für manches lohnt es sich zu kämpfen. Ich will zum Beispiel Ziele in meinem Beruf erreichen. Oder ich rege mich darüber auf, dass Kartoffeln, die aus Neuseeland über die halbe Erdkugel zu uns geflogen werden, im Supermarkt billiger verkauft werden, als die von unseren heimischen Landwirten. Deshalb kämpfe ich, wo es geht dagegen an.

Manchmal kann es aber auch befreiend sein, wenn ich mal aufhöre zu kämpfen. In Konflikten, die total verfahren sind. Oder mit meinen Kindern: Auch wenn ich mein Kind unbedingt anders haben möchte als es ist, durch kämpfen werde ich wenig erreichen.

Manchmal ist es besser, ich akzeptiere wie es ist. Manchmal bekomme ich dann sogar etwas geschenkt: ein Gefühl der Erleichterung. „Endlich ist es vorbei!“

Jetzt kann etwas Neues kommen. Mag sein, ich brauche ein ganzes Leben, damit ich das lerne: die Fäuste aufmachen und loslassen.

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